Verharmlosung als Geschäftsmodell – oder: Der neue Faschismus retweetet
TL;DR: Elon Musk verharmlost Faschismus mit
Nazi-Vergleich zur EU – eine gefährliche Diskursverschiebung aus den Chefetagen
des digitalen Kapitalismus. Der Heutige Faschismus trägt er kein Braunhemd,
sondern ein Profilbild. Er füllt keine Hallen, sondern Feeds. Und statt „Sieg
Heil“ heißt es dann: „Pretty much.“ – Willkommen im digitalen Bunker der
Bourgeoisie.
Es gibt
Momente, in denen man nicht weiß, ob man das Fenster aufreißen oder das
Internet schließen soll. Wenn der reichste Mann der Welt – seines Zeichens
Eigentümer einer Plattform, deren Nutzer früher zwitscherten und heute hetzen –
ein Hakenkreuz unter der Europa-Flagge mit „Pretty much“ versieht, dann ist das
keine Satire, sondern das postmoderne Pendant zur Goebbels’schen Gleichsetzung
von Demokratie und Dekadenz: nur mit mehr Followern und schlechterer Grammatik.
Dass die EU
kein Hort linker Utopien ist, versteht sich von selbst – sie agiert als
ideeller Gesamtkapitalist, der Markt schafft, Kapital schützt und Verluste
sozial abfedert. Aber wer in diesem Konstrukt das „Vierte Reich“ erkennt, sieht
im Fahrkartenschalter das „Warschauer Ghetto“ und im veganen Aufstrich den
„sozialistischen Volkskörper“. Man muss nicht für Brüssel brennen, um zu
erkennen, dass dieser Vergleich nicht hinkt, sondern kriecht – und zwar mit
Stiefeln.
Musk, dieser
techno-futuristische Industrielle im Selbstverwirklichungswahn, tut, was
Kapital immer tut, wenn es sich bedroht fühlt: Es mimt das Opfer, deutet
Regulierung als Tyrannei und wirft sich mit der Grazie eines Algorithmus in die
Pose des Dissidenten. Dass ihm dabei das Vokabular der Täter hilft – geschenkt.
Wer Milliarden hortet, darf heute wieder alles sagen, solange er es „ironisch“
meint.
Was hier
geschieht, ist nichts Geringeres als eine diskursive Enteignung der Geschichte:
Der Faschismus wird zum Schimpfwort ohne Inhalt, das jeder in den Ring wirft,
dem der Liberalismus nicht neoliberal genug ist. So wird der Holocaust zur
Pointe und die Demokratie zur Fußnote in einem Tweet.
Die Verrohung
beginnt nicht mit dem Schuss, sondern mit dem Satz. Und wenn die geistige
Brandstiftung vom Obergeschoss des Kapitals betrieben wird, ist es kein Zufall,
sondern Methode. Was früher in Kellerrunden geraunt wurde, findet heute auf X
statt – unter Applaus, Likes und der feinen Ironie der digitalen Bourgeoisie.
Es geht nicht
mehr darum, was gesagt wird, sondern wer es sagen darf. Musk darf alles. Und
genau darin liegt das Problem. Wenn der Faschismus zurückkehrt, wird er keine
Uniform tragen, sondern ein Profilbild. Seine Reden werden keine Echohallen
füllen, sondern Feeds. Und statt „Sieg Heil“ wird man „Ziemlich genau“ lesen.
Die Geschichte
kehrt nicht zurück, sie wird geliefert – per Retweet, direkt aus den Chefetagen
der Reaktion.
