Linksjugend [’solid]: „Nie wieder schweigen“ – es sei denn, es geht um unsere stalinistische Reinkarnation.
TL;DR: „Nie wieder schweigen“ ruft die Linksjugend – und meint: außer über autoritäre Rhetorik, Säuberungslogik und antisemitische Dogmen im Gewand von Antiimperialismus. [’solid] bedeutet 2025 merheitlich Agitation statt Analyse, Parole statt Denken, Moralisierend statt Marxistisch.
Die
Revolutionäre Jugend bzw. die Antizionist*innen, die sich dafür halten ist
jung, wütend und hat WLAN. Und wenn sie beim Linksjugend-Kongress 2025
anklopft, dann nicht mit Flugblättern, sondern mit Zimmerbesuchen.
Die Protokolle der neuen Anständigkeit sind eindeutig: Wer sich nicht radikal
genug gegen Israel positioniert, bekommt es nicht mit Argumenten zu tun,
sondern mit psychischem Druck. Ein Teilnehmer spricht gar von „Psychoterror
aus den eigenen Reihen“. Manch einer reiste vorzeitig ab – offenbar hatte
niemand Lust auf inquisitorische Nachtschichten im Hotelzimmer.
Man könnte meinen, das sei übertrieben. Es sei eben hitzige Debatte unter Jungen Genoss*innen. Doch dann liest man den Beschluss der Linksjugend solid "Beschluss der Linksjugend [’solid] vom 1. November 2025 „Beschluss der Linksjugend solid "Beschluss der Linksjugend [’solid] vom 1. November 2025 Nie wieder zu einem Völkermord schweigen"" – und merkt: Die Hitze kommt nicht vom Diskurs, sondern vom ideologischen Flammenwerfer. „Konfrontiert mit einem Völkermord, haben wir als linker Jugendverband versagt“, heißt es da. Der Völkermord findet – wo sonst – in Gaza statt. Die Täter: Israel, Deutschland, die USA. Die Opfer: „das palästinensische Volk“, das, wie es weiter heißt, „vernichtet“ werde. Auschwitz ist also weitergezogen – diesmal an den Mittelmeerstrand. Folgerichtig erklärte auch die neu gewählte Bundessprecherin Martha Wüthrich in einem mittlerweile gelöschten Video über Gaza: „Das ist ein fucking Holocaust. Dasist der Holocaust!“ Die Gleichsetzung ist keine sprachliche Entgleisung – sie ist anscheinend ideologische Linie. In einem Verband, in dem Frankfurter Mitglieder öffentlich bedauern, das Jüdische Jugendliche nicht aus Fliegenden Flugzeugen geworfen wurden, ist das keine Rhetorik am Rand, sondern Programm.
Und wer da noch glaubt, es handle sich um unglückliche Ausrutscher, hat die
neue Ernsthaftigkeit der autoritären Linken nicht verstanden.
Das Problem
ist nicht nur der Vergleich, sondern die logische Struktur, in der alles – wirklich alles – als imperialistisches
Komplott begriffen wird. Rüstungsexporte? Genozidbeihilfe. Diplomatie?
Zionistische Komplizenschaft. Menschenrechte? Nur ein Vorwand. Und wer nicht
mitmarschiert, marschiert im Geiste bei den Besatzern.
Was hier als
revolutionäre Klarheit verkauft wird, ist in Wahrheit der ideologische Rückfall
in eine politische Denkform, die Michael Schumann 1989 in einem historischen
Satz zu Grabe tragen wollte:
„Wir
brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System.“
Doch was ist
der Stalinismus als System anderes als die Verabsolutierung eines
geschlossenen Weltbilds, das Widerspruch nicht duldet und Differenz als
Verrat denunziert?
Der
Beschluss der Linksjugend ist nicht stalinistisch, weil er Lager baut. Aber er
ist es in seiner Form:
- In der autoritären
Verpflichtung zur „klaren Linie“.
- In der Säuberungsrhetorik
gegenüber „Zionisten“ in der Partei.
- In der geschlossenen
Weltsicht, in der Imperialismus, Kapitalismus und Zionismus zur ewigen
Trinität des Bösen verschmelzen.
Wer
widerspricht, dem wird nicht argumentativ begegnet, sondern moralisch das
Existenzrecht entzogen – zuerst politisch, dann rhetorisch. Dass Ramsis Kilani
– jener „Aktivist“, der
den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 glorifiziert und behauptet, die
Hamas besitze „das Recht auf militante Selbstverteidigung mit allen Mitteln“, der öffentlich infrage
stellt, ob israelische Bürger tatsächlich als Zivilisten zu behandeln seien,
schließlich habe jeder Israeli irgendwann in seinem Leben den Wehrdienst
geleistet und so faktisch das ermorden von Zivilisten durch die Hamas Legitimiert
– weiterhin Rederecht erhält, zeigt, wie weit der Konsens des Sagbaren schon
verschoben wurde.
Die
Linksjugend ist längst nicht mehr der rebellische Stachel im Fleisch einer
reformmüden Partei. Sie ist das Wiedererscheinen des autoritären Charakters
in moralischem Tarnanzug, eine Art Jugendverband der guten Absichten mit
schlechtem Gewissen und noch schlechterem Gedächtnis. Denn die Parolen mögen
sich geändert haben – die Logik nicht.
In
der DDR nannte man Mauer und Todesstreifen in Neusprech nach Orwell den „antiimperialistischen Schutzwall“ – ein
Totschlagsbegriff, der die Realität von Schießbefehl und Freiheitsentzug in
rhetorische Erlösung verkehrte. Heute nennt man das, was andernorts als antisemitisches
Massaker begann, in demselben Neusprech „Dekolonialisierung“.
Damals wie heute dieselbe semantische Operation:
Worte
werden nicht erklärt, sondern ersetzt. Denken wird entwertet, Analyse durch
Agitation ersetzt. Der Begriff wird zur Waffe – und der Diskurs zur Demontage.
Michael
Schumann diagnostizierte damals:
Genau das
ist hier geschehen. Der „Imperialismus“ wird als ahistorische Kategorie
behandelt, die sich wie ein Oktopus um alles legt, was nicht ins Weltbild
passt. Kein Wort zur Rolle der Hamas und des Iran, kein Begriff von den inneren
Widersprüchen des Kapitalismus, kein Verständnis für die Dialektik von
Herrschaft und Widerstand. Alles wird geopolitisch aufgeladen und moralisch
aufgeladen – mit intellektuellem Unterdruck.
Israel ist –
so der Beschluss – von Grund auf „kolonial“ und „rassistisch“. Dass es dort
eine lebendige, pluralistische, zerrissene Gesellschaft gibt, in der Jüd*innen,
Araber*innen, Orthodoxe, Säkularisierte, Rechte und Linke einander streitig
sind – keine Silbe davon. Dass Hamas keine „revolutionäre Bewegung“ ist,
sondern eine autoritäre, frauenverachtende, queerfeindliche, antisemitische
Miliz – nicht erwähnenswert. Dass die Forderung nach einem „uneingeschränkten
Rückkehrrecht“ Antisemitismus pur ist, weil sie die Vertreibung von Jüdischen
Menschen aus Arabischen Saaten nicht nur verschweigt, sondern durch das Schweigen
Jüdische vertrieben aus den Arabischen Staaten auch als Minderwertig gegenüber den Palästinenser*innen
ansieht, – ausgeblendet. Es zählt nicht,
was ist, sondern was gesagt werden muss. Die Parole ersetzt die Realoität.
In diesem
Sinne schreibt der Beschluss auch:
Man nennt so
etwas: erzwingen von Linientreue.
Früher hätte das ZK Beifall geklatscht. Heute übernehmen das Instagram-Accounts
mit schwarzem Fähnchen-Logo.
Und dennoch: Man sollte diese Entwicklung nicht nur beklagen. Man muss sie benennen, sezieren, durchdringen. Nicht als moralisches Versagen, sondern als analytisches Elend. Der neue Antizionismus ist nicht der Antisemitismus der Dummen – er ist der Antisemitismus jener, die sich für die Anständigen halten. Und darin liegt seine ganze Tücke.Schluss mit der Moral, her mit der Analyse. Und zwar marxistisch, nicht moralisch.
![Kritische Analyse des Beschlusses der Linksjugend [’solid] vom 1.11.2025 – über Antizionismus, autoritäre Rhetorik und ideologischen Rückfall ins Dogma. Kritische Analyse des Beschlusses der Linksjugend [’solid] vom 1.11.2025 – über Antizionismus, autoritäre Rhetorik und ideologischen Rückfall ins Dogma.](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiu3EnT7mESKHprgoUHa-vtRWYhfI11qieMb0gxIvXQHW59wxvScq2Gad2FyWkl2g8P0nfC2giA3nGCBlZOBmFLVqzYLbAzXu2Ijn5HGWtw0MKdOelGRslYznTJGzAQ2W8TrGW0wcsJCvjX7RkFm3YnOCjL1Ksn51DlaOVT3vczI7xh_A8PU26t8svXNkS8/w438-h658/Stalin%20Linksjugend.png)