Wer die Flamme nährt, muss wissen, was sie verbrenn


TL;DR: „Rape is not resistance“ sollte überflüssig sein. Ist es aber nicht siehe "Keine Kapitulation – Haltet die Flamme am Brennen" – nicht, solange Linke Täter feiern, wenn sie die „richtige“ Fahne tragen. Der Gegenprotest „Free Berlin from Hamas“ ist nötig. Und die Flamme? Die brennt auf dem Rücken der Opfer.

 

Warum der Gegenprotest „Free Berlin from Hamas“ nötig ist – und wie linke Romantisierung von Tätern emanzipatorische Politik verrät.


Warum der Gegenprotest „Free Berlin from Hamas“ nötig, richtig – und riskant ist.
Und warum Teile der Linken dringend ihre Blindheit gegenüber Tätern überwinden müssen.

Lisa Simpson ist wütend. Sie reißt ein rotes Dreieck entzwei – Symbol der Hamas, inzwischen aber auch poppige Sticker-Ästhetik in der Samidoun-nahen Szene Berlins. Die antifaschistische Gegendemonstration am 25. November 2025 ist kein kultureller Clash, sondern ein politischer. Und ein bitter notwendiger.

Denn während die einen den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen begehen, um sexualisierte Massengewalt als Mittel der Politik zu verurteilen, feiern die anderen „Widerstand“ mit Zitaten eines Mannes, dem der Internationale Strafgerichtshof die systematische Vergewaltigung von Geiseln vorwirft: Yahya Sinwar.

Der aktuelle Demo-Aufruf blendet das Thema Palästina bewusst aus, betont „nur“ seinen Antizionismus und präsentiert weibliche Ikonen anderer Regionen. Doch ein Zitat aus dem Aufruf, das die „Alliance“ auch mit ihrem Demo-Titel ehrt, wird eben jenem Sinwar zugeschrieben. So erhebt der Chefankläger „den Vorwurf von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, beginnend mit dem 7. Oktober, u. a. in Form von Vernichtung, Mord, Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt, Geiselnahme sowie Folter und anderen Misshandlungen von Personen in Gefangenschaft.

Was klingt wie der peinlichste Moment eines aus dem Archiv verlorenen konkret-Satirehefts, ist Realität im Berliner Herbst: Eine „feministische“ Gruppe (die "Alliance of Internationalist Feminists") ruft zur Solidarität mit „Widerstandskämpfer:innen“ unter dem Motto "Keine Kapitulation – Haltet die Flamme am Brennen" auf – und verliert dabei kein Wort über die  Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt an Frauen am 7. Oktober 2023 in Israel. Keine Verurteilung. Kein Bedauern. Kein Bruch.

Nur Flamme. Brennend.

Man kennt das: Die Revolution frisst ihre Kinder. Neuerdings scheint sie auch bereit, deren Mütter gleich mit zu verschlingen – solange der Feind des Feindes noch gegen „US-Imperialismus“ marschiert.

Man muss nicht aus der Schule des polemischen Skeptizismus stammen, um zu erkennen, wie grotesk das ist. Es reicht, den revolutionären Reflex einmal nicht vollständig von jedem moralischen Koordinatensystem zu entkoppeln. Wer sich auf das koloniale Erbe beruft, sollte nicht gleichzeitig dessen hässlichste Züge reproduzieren – in Form antisemitischer Narrative, Täterverklärung und sprachlicher Grandiositätsmaskerade.

Der Gegenprotest –Free Berlin from Hamas – ist in diesem Kontext fast so etwas wie Politische Notwehr. Nicht, weil Berlin unter Hamas-Herrschaft stünde, sondern weil die symbolische Aneignung durch jene, die Sinwar zitieren, ein Angriff auf jedes emanzipatorische Projekt ist, das sich noch Feminismus nennt. Der Satz „Rape is not resistance“ sollte überflüssig sein. Er ist es nicht. Gerade nicht in diesen Kreisen.

Und doch: Die Gefahr, dass sich in solche Proteste rechte Islamfeinde einnisten, bleibt real. Wer sich auf den moralischen Unterschied zwischen Unterdrückten und Unterdrückern beruft, muss das auch gegen die eigene Seite tun – ohne in rassistische Schlagseite zu kippen. Wer sexualisierte Gewalt anklagt, darf sich nicht beklatschen lassen von denen, für die jedes Kopftuch eine Kriegserklärung ist.

Die Herausforderung liegt nicht im Protest selbst, sondern in seiner Differenzierung. Eine moralisch fundierte Kritik an Gewalt ist kein Mandat zur identitären Feinderklärung – weder nach außen noch nach innen.

Der Aufruf der „Alliance“ hingegen bleibt ein Dokument tragischer Verblendung: Pathos ohne Verantwortung. Wer Gerechtigkeit ruft, muss auch bereit sein, sie durch Fakten herauszufordern – und nicht durch rote Dreiecke, krude Parolen und die ewige Romantisierung bewaffneten Widerstands zu ersetzen.

Bleibt die Frage:
Wenn Linke nicht einmal mehr sexualisierte Gewalt verurteilen können, sobald sie von den „Falschen“ begangen wird – wer soll dann noch glauben, dass sie es mit der Befreiung aller Menschen ernst meinen?

Vielleicht hätte Lisa Simpson mehr verdient als die symbolische Rolle des zornigen Mädchens im Regen. Vielleicht hätte sie einfach sagen sollen:
„Ich hab die Schnauze voll.“

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