Die antizionistische Erlösung der deutschen Linken. Oder: Wie der marx21-Ko-Kreis mit einem Märchen zu Gaza den Holocaust überwinden will.

 

TL;DR: Was marx21 als Analyse verkauft, ist das alte Märchen: Israel als Täter, Gaza als Alibi – Verharmlosung von Antisemitismus als Solidarität mit den Palästinenser*innen getarnt. Wer so spricht, sucht nicht Gerechtigkeit, sondern Erlösung von deutscher Schuld

 

Die antizionistische Erlösung der deutschen Linken. Oder: Wie der marx21-Ko-Kreis mit einem Märchen zu Gaza den Holocaust überwinden will.

Zur agitatorischen Selbstverblendung des Textes „Zusammen für Gaza – Die Isolation durchbrechen“ ein Nachruf auf den linken Verstand

Was der marx21-Ko-Kreis mit seinem Artikel „»Zusammen für Gaza« – Die Isolation durchbrechen“ als Analyse tarnt – getragen von der These, die propalästinensische Bewegung sei in Deutschland durch Repression isoliert und könne durch die Demonstration am 27. September diese Isolation durchbrechen und „Druck auf die Bundesregierung“ ausüben –
beginnt mit einem Satz, den man auch an eine Wand in Teheran sprayen könnte:

„Seit knapp zwei Jahren führt Israel einen Völkermord an den Palästinenser:innen in Gaza durch.“

Das ist kein politisches Argument, sondern ein moralischer Exorzismus.
Israel wird hier nicht kritisiert, es wird dämonisiert – zur Verkörperung des absolut Bösen stilisiert, zur ewigen Tätermacht erklärt, gegen die sich die Geschichte nun, endlich, erheben darf.
Auschwitz reloaded – nur diesmal mit vertauschten Rollen und besseren Slogans.

„In einer Umfrage von März 2024 gaben bereits 69 Prozent aller Deutschen an, dass sie das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza für nicht gerechtfertigt halten.“

Was hier als Beleg für moralischen Fortschritt präsentiert wird, ist in Wahrheit ein Alarmsignal.
Wenn 80 Prozent der Deutschen Israel ablehnen, dann sollte die Linke nicht applaudieren, sondern hellhörig werden.
Aber nein: Man stützt sich auf den demoskopischen Unverstand der Mehrheit wie früher andere auf das „gesunde Volksempfinden“.
So wird Antisemitismus nicht mehr bekämpft, sondern ausgewertet – in Umfragen, in Straßenprotesten, in Strategiepapiere fürs revolutionäre Eventmanagement.

„Dass jede Kritik an Israel als potentiell antisemitisch markiert […] schwächt den Protest.“

Was hier als „Markierung“ denunziert wird, ist in Wirklichkeit eine Notwendigkeit: Antisemitismus erkennt man nicht daran, dass er zugibt, Antisemit zu sein, sondern daran, wie er spricht.
Wer Israel als „zionistisches Konstrukt“ dämonisiert, seine Existenz infrage stellt und den Holocaust instrumentalisiert, darf sich nicht wundern, wenn man ihn für das hält, was er ist:
nicht Kritiker – sondern Feind.

Im Übrigen basiert die Behauptung des marx21-Ko-Kreises auf einer wahnhaften Wahrnehmung der Realität.
Andere würden es einfacher sagen:

Es ist schlicht gelogen.

Der Satz, jede Kritik an Israel werde mit der „Antisemitismuskeule“ erstickt, ist ein rechter Talking Point im linken Kostüm.
Marx21 tut hier das, was Reaktionäre seit Jahrzehnten tun:
Sie machen aus der Bekämpfung des Antisemitismus ein Herrschaftsinstrument – und relativieren ihn dadurch.
Am Ende ist nicht mehr Antisemitismus das Problem, sondern sein Vorwurf.
Das ist keine Kritik. Das ist ideologische Brandstiftung mit moralischem Zündholz.

 „Was es braucht, ist eine gesellschaftliche Bewegung, die die Regierung zwingt…“

Zwingen wozu? Zur Aufgabe des Existenzrechts Israels?
Zur offiziellen Parteinahme für eine Bewegung, die ihren Hass auf Juden hinter Kinderbildern versteckt?
Der 
marx21-Ko-Kreis meint natürlich etwas anderes – aber meint zu meinen, wo Analyse gefragt wäre.

Was „die Bewegung“ wirklich braucht, ist keine „sichtbare Mehrheit“, sondern ein Mindestmaß an politischer Selbstaufklärung.
Die fehlt ihr – und ihren linken Fürsprechern – seit Jahrzehnten.

 

„Empathie, die viele Menschen für das Leid in Gaza empfinden, kann in politisches Handeln umschlagen.“

Die Empathie, die hier beschworen wird, ist keine.
Sie ist selektiv, strategisch, antiwestlich kanalisiert – und durchsetzt von einem Wunsch:
Nicht die Palästinenser:innen sollen befreit werden – sondern die deutschen Linken von ihrer Schuld.
Der Kampf gegen Israel wird so zur Therapie – ein Gruppenerlebnis zur Verarbeitung der nationalen Erbsünde.

 

„Viele Menschen in Deutschland haben keine Vorstellung vom Leben in Gaza.“

Korrekt.
Aber ebenso wenig haben sie eine Vorstellung vom Leben unter der Hamas.
Vom Raketenhagel auf israelische Kindergärten.
Von queeren Palästinensern, die nach Israel fliehen, weil sie dort leben dürfen.
Diese Vorstellung fehlt im Artikel vollständig – und das nicht zufällig.
Denn wo Hamas-Terror zur Randnotiz wird, kann Israel nur als Täter erscheinen.

 

„Die Beteiligung der Linken kommt zu spät.“

Richtig – aber sie kommt nicht aus Mut, sondern aus politischer Thermik.
Weil der Wind sich dreht, dreht sich die Partei mit.
Der Opportunismus ist hier nicht Ausnahme, sondern Methode.
Und wenn marx21 den linken Rückstand beklagt, dann nicht, weil es Zweifel an der Bewegung gibt – sondern, weil man zu lange zu vorsichtig war, das Falsche für richtig zu erklären.

 „Nutzen wir sie!“ – heißt es am Ende des Textes.

Als sei Geschichte ein Werkzeugkasten, die Realität eine Bühne und der 27. September der langersehnte Showdown zwischen Gut und Böse.
Nein.
Ihr nutzt die Geschichte nicht –
ihr vernutzt sie.

Ihr macht aus der Shoah eine Schablone für Gaza.
Ihr ersetzt Dialektik durch Demonstration.
Ihr wollt mit dem Ruf „Free, Free Palestine“ nicht die Freiheit – sondern die Entlastung.
Und nennt das dann „Solidarität“.

»Zusammen für Gaza« – Die Isolation durchbrechen“    ist kein Beitrag zur Aufklärung –
es ist der Versuch, die eigene Vergangenheit durch die Delegitimierung Israels zu bewältigen.

»Zusammen für Gaza« – Die Isolation durchbrechen“  ist ein Text, der die deutsche Linke zur palästinensischen Ersatzreligion bekehren soll, Antisemitismus nicht mehr bekämpft, sondern banalisiert.

Wer Auschwitz wirklich verstanden hat,

ruft nicht „Free Palestine“,

sondern mit recht „Free the Palestinians

und verteidigt den Staat Israel–

gerade dann, wenn es unbequem ist.


 

 

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