Hanna Hansen predigt in Bielefeld – Rechte toben, Linke schweigt
TL;DR: Salafisten-Influencerin Hanna Hansen predigt am 13.9. in Bielefeld. Rechte toben, Linke schweigt. Zwischen Kalifat-Show und Nationalkitsch fehlt die emanzipatorische Antwort: Gegen Islamismus und Rechtspopulismus. Für Selbstbestimmung statt Schleier oder Fahne.
Zwischen
Islamismus-Show und rechter Gegenmobilmachung steht die linke Sprachlosigkeit.
Eine
radikale Salafistin auf Tour – und niemand hält dagegen. Weder Gott noch
Kalifat, dafür viel Polizei und noch mehr Hilflosigkeit auf der
emanzipatorischen Seite.
Bielefeld, 13.
September: Im
ostwestfälischen Bielefeld soll sie auftreten – Hanna Hansen, geboren
als Viktoria Stadtlander, Ex-Model, Ex-DJane, Ex-Kickbox-Weltmeisterin. Heute
ist sie laut Verfassungsschutz "eine Schlüsselfigur der salafistischen
Szene in Deutschland". Veranstalter: die Schweizer Organisation „Islamic
Power“. Die Polizei? Ist informiert. Der NRW-Verfassungsschutz? Auch. Die
emanzipatorische Linke? Überfordert, abwartend – oder schweigend.
Dabei ist
das Phänomen längst bekannt: Menschen mit popkultureller Strahlkraft und
digitalem Sendebewusstsein mutieren zu Multiplikatoren reaktionärer Ideologie.
Hansen spricht via TikTok und Instagram mit über 400.000 Followern – zumeist
junge Frauen. Was sie dort zeigt, wirkt soft, spirituell, „suchend“. Was sie
sagt, ist eine Einladung in ein streng patriarchales Weltbild, das unter dem
Deckmantel von Sinnsuche und Selbstfindung Kontrolle, Ausschluss und
Unterwerfung propagiert.
„Sie ist
heute eine der erfolgreichsten Akteurinnen der islamistischen Szene – weil sie
den Salafismus wie einen Lifestyle inszeniert.“
Eren Güvercin, Islamismus-Experte
Vom Laufsteg zur Kanzel
Was Hansen
von früheren Protagonisten wie Pierre Vogel oder Sven Lau unterscheidet?
Ästhetik, Methodik – nicht die Ideologie. Ihre Videos: weichgezeichnet,
emotionalisiert, durchwirkt von biografischem Pathos. Ein bisschen
„Erweckungserlebnis“, ein bisschen Coaching-Esoterik. Am Ende steht: Salafismus
als Heilsversprechen.
„Anfangstrug sie kein Kopftuch. Heute tritt sie im schwarzen Niqab auf, bewirbt Events,auf denen islamistische Prediger auftreten.“
NRW-Verfassungsschutzbericht 2024
Dass sie
damit ein Publikum anspricht, das sich in liberalen oder linken Diskursräumen
nie wiederfindet, ist kein Zufall. Es ist Kalkül – und es funktioniert.
Während rechtspopulistische Gruppen in Bielefeld angeblich Gegenkundgebungen planen – unter dem Motto „Kein Kalifat in Bielefeld“ – bleibt es auf Seiten der progressiven Kräfte (wie z.B. dem LiB, GRÜNE Bielefeld, Die Linke ) erstaunlich still. Wieder einmal wird Islamismus ausschließlich von rechts „kritisiert“, nicht um ihn zu verstehen oder zu bekämpfen, sondern um rassistische Narrative zu bedienen.
Dabei wären
die Fronten klar: Islamismus ist ein reaktionäres Gesellschaftsmodell –
sexistisch, autoritär, sozialrassistisch. Er gehört nicht verteidigt, sondern
bekämpft. Nicht nur von Sicherheitsbehörden, sondern politisch und zwar von Links. Dass dabei
ausgerechnet jene Kräfte, die am lautesten gegen rechte Hetze demonstrieren,
beim Thema Islamismus stumm bleiben, hat Gründe – und Folgen.
Islamismus ist nicht das Gegenstück zum Westen. Er ist seine ideologische Schattenseite – dieselbe Misogynie, dieselbe autoritäre Struktur, nur mit anderem Vokabular. Was der politische Islam als „Kampf gegen die Ungläubigen“ inszeniert, benennt der rechte Populismus als „Verteidigung der nationalen Werte“. Beide definieren Zugehörigkeit über Ausschluss. Beide propagieren ein Weltbild, in dem Frauen entweder verschleiert oder beschützt werden müssen – Hauptsache, sie sind nicht frei. Beide bewegen sich im sozialen Raum der Orientierungslosigkeit. Und beide greifen dort, wo linke Alternativen fehlen.
Dass
SPD-Politikerin Christina Kampmann den Auftritt Hansens mit „allen
rechtsstaatlichen Mitteln“ verhindern will, ist verständlich – und wirkungslos.
Denn wo staatliche Repression beginnt, beginnt oft auch die Inszenierung als
„Märtyrerin“. Hansen weiß das. Ihre Szene lebt davon.
Was fehlt,
ist ein politisches Gegenangebot – nicht repressiv, sondern progressiv. Die
muslimische Community ist gefragt, aber auch eine emanzipatorische Linke, die
Islamismus nicht länger „verschweigt“, um sich vor rassistischen
Vereinnahmungen zu schützen. Wer schweigt, überlässt das Terrain den Feinden
der Befreiung – von rechts wie von religiös.
Kalifat oder
Kulturkampf?
Die Bühne in Bielefeld wird Hanna Hansen vermutlich bekommen. Die Rechte Gegendemonstrationen warscheinlich auch. Was noch fehlt, ist die dritte Stimme – die der Aufklärung, der Emanzipation, der Solidarität. Denn in einer Gesellschaft, in der Influencer*innen religiösen Autoritarismus als Befreiung verkaufen und Rechte dagegen hetzen, ohne selbst Alternativen zu bieten, braucht es eine klare Antwort: Weder Kalifat noch Vaterland. Sondern Selbstbestimmung. Für alle.