Strategie der Reaktion: Wie die AfD den deutschen Faschismus Netflix-tauglich macht
TL;DR: Die AfD spielt Opposition, will aber Regieren – mit Strategien aus dem Trump-Handbuch und medialem Beifall. Der Faschismus kommt im Maßanzug, inszeniert sich als Opfer und verkauft Polarisierung als Politik. Willkommen im deutschen Reality-Reichstag.
Zum POLITICO Artikel „Die Strategie
der deutschen Rechtsextremen zur Machtergreifung: Polarisierung nach US-Vorbild“
Ein Gespenst
geht um in Deutschland – es trägt Maßanzug, macht Soziogramme von
Akademikerinnen und liest Steve Bannon wie andere das "Handbuch des
Kriegsrechts". Die AfD, jene Sammlung reaktionärer Kleinbürgerpanik in
Reichsbürgerfarben, hat ihre Strategie gefunden – im amerikanischen Schaum vorm
Mund. POLITICO durfte in das geheime Strategiepapier der deutschen Rechten
blicken. Was sie fanden, war weder überraschend noch verstörend. Nur logisch.
Die AfD will an die Macht, und zwar auf dem Rücken derjenigen, die sie
verachtet: Konservative, Liberale, Frauen, Akademiker – also alle, die noch
hoffen, dass Rationalität irgendwas mit Demokratie zu tun hat.
Im Westen
nichts Neues, im Osten bröckelt die Brandmauer
Dass sich
Beatrix von Storch, Gottes eiserne Lady der Westentaschenfaschisten, beim
Bannonismus Rat holt, ist keine Pointe. Es ist Methode. Trump hat vorgemacht,
wie man die liberale Gesellschaft nicht reformiert, sondern lächerlich macht,
wie man die Mauer gegen rechts nicht einreißt, sondern in Reality-TV verwandelt.
„Woke Linke“ gegen „patriotische Bürger“, das ist die Arena, in die die AfD das
deutsche Publikum prügeln will – in der Hoffnung, dass sie irgendwann als die
weniger verrückte Hälfte erscheint. Hufeisentheorie mit Kameraführung von
Springer.
Was in
Weimar das Hakenkreuz war, ist heute das Meinungsumfrageergebnis: Der Kult der
Zahlen ersetzt den Begriff. Wenn 25 Prozent in Thüringen AfD wählen, dann ist
das nicht ein Viertel Faschismus, sondern „politische Realität“. Und die Medien
spielen brav mit. Empörung, Skandal, Prime Time. Aus der Brandmauer wird eine
Betonsatire. Und POLITICO? Berichtet. Neutral. Objektiv. Investigativ. Als
ginge es hier um ein Sudoku im Reichstagskeller.
Von Storchs
Bibelstunde mit Bannon – oder: Vom Jesusbild zum Führerkult
Dass die AfD
dabei vom Teufel predigt, ist kein Geheimnis. Nur dass der Teufel in diesem
Fall „Strategie“ heißt. Man wolle, heißt es im Papier, die „Firewall“ unbeliebt
machen – nicht die AfD beliebter. Es geht nicht um Politik. Es geht um Gefühl.
Um Frust. Um Demütigung. Der alte Nationalmasochismus hat die Seiten
gewechselt. Heute inszeniert sich die Reaktion als Opfer. Verfolgte Unschuld
mit Facebook-Account. Weinen fürs Vaterland.
Die AfD
braucht die Linke wie Trump die Demokraten: als Hassprojektionsfläche. Der
Trick ist billig, aber wirksam: Die Radikalen links radikalisieren, damit die
Rechten rechts als bürgerlich erscheinen. Das nennt man Dialektik mit
Pressesprecher. Man könnte lachen, wenn es nicht so durchschaubar wäre. Und man
würde weinen, wenn die deutschen Leitmedien nicht mit so feiner Geste
mitspielen würden – als ginge es um die Tragik einer verspäteten Systemkritik
und nicht um den gezielten Angriff auf das demokratische Fundament.
Die AfD
nennt sich konservativ und will das Land zerstören. Sie ist gegen „woke
Identitätspolitik“ – und betreibt selbst die identitärste Politik seit dem
Führergeburtstag. Sie ist prorussisch in der Rede, aber nationalistisch in der
Tat. Ihr Hass gilt nicht dem Westen – sondern seiner Aufklärung. Und wenn sie
Frauen umwerben will, dann mit Mikroanalysen und Sprachregelungen aus der
Marktforschungshölle. Die Rechten von heute denken nicht – sie segmentieren.
Dass die AfD
ausgerechnet Akademiker, Frauen und Stadtmenschen „zurückgewinnen“ will, ist
nur auf den ersten Blick paradox. In Wirklichkeit zeigt es den Zynismus ihrer
Strategie: Alles ist käuflich, alles ist manipulierbar, alles ist Content. Die
Demokratie ist Kulisse, das politische Subjekt ein Mythos. Wer keine Ideologie
hat, braucht wenigstens ein Feindbild. Und das liefert die „radikale Linke“,
egal ob sie existiert oder nicht.
Ein kleiner
Stoßseufzer aus der Klassenanalyse
„Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden.“ (Adorno). Die AfD ist das Gerücht über die Demokratie. Sie behauptet, sie sei ausgeschlossen – während sie die ganze Zeit durch jedes zweite Talkshowformat geprügelt wird. Sie klagt über Cancel Culture – und diffamiert alles, was nicht rechts blinkt, als „Systemling“. Sie spielt die Märtyrerin – und träumt von der Diktatur der Mitte. Dass sie das mit amerikanischem Vorbild tut, sagt weniger über Trump als über Deutschland. Dieses Land hat nie wirklich gelernt, sich selbst zu hassen – ohne rechts dabei herauszukommen. „AfD und Linke bilden die beiden ideologischen Pole der gesellschaftlichen Debatte“, heißt es im Papier. Wer das glaubt, hat die Geschichte nicht nur vergessen. Er hat sie verraten.
POLITICO: „German far right’s strategy for seizing power: Foment US-style polarization“