Sektiererischer Reinheitswahn – oder: Wie man den Faschismus fördert, indem man alle anderen Linken bekämpft
TL;DR: Die Rechte marschiert, die Linke streamt: Während Faschisten Grundsatzprogramme schreiben, bekämpfen sektiererische Antiimperialisten „Zios“, „Netanyahu-Bootlicker“ und Ines Schwerdtner. Der Hauptfeind? Nicht rechts. Sondern links von sich selbst.
Die
politische Rechte muss dieser Tage kaum noch kämpfen – sie kann zusehen. Denn
ihre Arbeit erledigen andere: jene sich als antiimperialistisch verstehenden,
sektiererischen Linken, deren Welt sich um drei Koordinaten dreht: den moralischen
Imperativ der Palästina-Solidarität, das eigene digitale Echo – und die wütende
Gewissheit, stets im Recht zu sein.
Einer ihrer Avatare:
@tuetenremo. Er nennt die Linkspartei ein „von genozidleugnenden, durchsifftes“
Sammelbecken und konstatiert voller Zuversicht:
„Ich gebe dieser Partei noch 1 Jahr.“
Nicht weil sie schlecht organisiert wäre, sondern weil sie – Gott bewahre – nicht
vollständig auf die Vernichtung Israels eingeschworen sei.
Diese
„Sache“, von der er spricht – das ist nicht Klassenkampf, nicht soziale
Gerechtigkeit, nicht antifaschistische Bündnispolitik. Es ist die „globale
Intifada“, die Delegitimierung Israels, die metaphysisch überhöhte
Dämonisierung eines einzigen Staates. Oder in seinen Worten:
„Ich
begreife die PDL auch nur als Ort und Tool, welcher medial stattfindet [...] um
für die Sache aufmerksam zu machen.“
Man
„bespielt“ also die Partei wie ein Twitter-Interface, hält moralische
Lichtschwerter in den Händen und erklärt jede Abweichung zur Todsünde. Was
nicht passt, wird „durchsifft“ genannt. Wer widerspricht, ist Teil des
„Schmutzes“.
„Man wird
diesen Schmutz nicht los, wenn man ständig Zugeständnisse macht.“
So sprach nicht nur@tuetenremo. So sprach auch Stalin – über die „Volksfeinde“.
Und wie
einst die KPD lieber die „Sozialfaschisten“ von der SPD bekämpfte als die
Nazis, steht heute der Hauptfeind nicht rechts von der SPD, sondern links: Ines
Schwerdtner, Sozialdemokraten, „Netanyahu-Bootlicker“ – und meint damit all jene, die
den Begriff Antisemitismus nicht aus ihrem Vokabular streichen und Israel Zerstören
wollen. Was damals als Sozialfaschismusdoktrin das Ende der Weimarer Republik
mit vorbereitete, wird heute als „Zio-Verschmutzung“ recycelt.
„Frustrierte
Libs laufen von Grüne/SPD zur ohnehin schon von Zios durchsifften Linken über.
Wird glaub ich eher kein gutes Ende nehmen.“ Schreibt @tuetenremo.
Recht hat er
– es wird kein gutes Ende nehmen. Nur nicht aus den Gründen, die er meint. Denn
während Chrupalla, Weidel und Höcke längst Grundsatzprogramme zur
ethnonationalen Neuordnung schreiben, führt der sich „antiimperialistisch“
verstehende, sektiererische Teil der Linken einen internen Vernichtungsfeldzug
gegen alles, was nach Dialog, nach Differenz, nach Politik riecht.
Der Kampf
gegen den Realen Faschismus? Ein Nebenschauplatz. Der Hauptkrieg wird geführt
gegen Wörter, Hautfarben, Nuancen. Wer Israel nicht für ein Apartheidkonstrukt
hält, gilt als „peinlich“, als weiß, als zu konsensorientiert für die große
moralische Revolution. Nur: Die findet nicht statt. Sie wird gestreamt.
In Wahrheit
marschiert draußen längst, was früher nur an den Rändern brüllte: autoritär,
völkisch, antidemokratisch – und ja, antisemitisch. Doch drinnen wird weiter
der „Space bespielt“. Politik wird ersetzt durch Selbstvergewisserung,
Machtanalyse durch Pseudoradikalisierung, Bündnisse durch Blocklisten.
Damals, in
der Weimarer Republik, hatte man wenigstens noch eine Republik zu verlieren.
Heute bleibt: ein digitaler Debattierkeller. Von wo aus man die letzten Reste
solidarischer Linker aus der eigenen Partei vertreibt, um der Rechten das
Schlachtfeld möglichst sauber zu übergeben.