Wenn der "Antiimperialismus der dummen Kerls“ was gutes an „Die Heimat“ findet

 TL;DR: Wenn ein LINKEN-Kandidat Neonazis für „antiimperialistische Werte“ lobt & Israel „Siedlerkolonialismus“ vorwirft, stellt sich nicht nur die Frage nach seiner Haltung – sondern nach der seiner Partei. Antifaschismus beginnt mit dem Nein zur Querfront.

Ein LINKE-Kandidat lobt Neonazis für „antiimperialistische Werte“. Ein Kommentar zur Ideologie der Partei "Die LINKE".


Ein Instagram-Dialog entlarvt: Wie ein Kandidat der LINKEN Baden-Württemberg im Namen der Palästinasolidarität Begriffe verdreht, Neonazis rhetorisch rehabilitiert – und dabei politische Grundsätze verrät.


Wer? Marlon Käsemann, Mitglied im Landesvorstand der Partei DIE LINKE in Baden-Württemberg, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Palästinasolidarität und Direktkandidat im Wk37 Wiesloch-Walldorf.
Was? Zwei Instagram-Kommentare unter einem politischen Beitrag.
Wann und Wo? Veröffentlicht öffentlich sichtbar auf Instagram.
Warum relevant? Weil ein linker Spitzenfunktionär dort in wenigen Sätzen zeigt, wie tief die ideologische Krise eines Teils der deutschen Linken reicht.


Es beginnt mit einem Satz von Hannah Akgül alias ‚ hanuta1312 ‘, der präziser (und Richiger) nicht sein könnte: „Für eine Linke ohne Antizionismus“. Ein Aufruf für eine Linken, die sich der historischen Verantwortung nach Auschwitz stellt. Was folgt, ist nicht etwa eine Debatte, sondern eine Entgleisung – formuliert von einem Multi-Funktionär der Partei die Linke, der für seine Partei in den Landtag will. Marlon Käsemann alias @marlonk.06 reagiert:

„Einfach weiter Teile schmeißen Hannah, damit wär’s doch auch getan.“
„Aber gut… was wäre es denn für ne linke Organisation, wenn sie sich darauf aufteilt, Siedlerkolonialismus und Genozid zu unterstützen? Hört sich für mich ja nach der CDU an ^^“

„Siedlerkolonialismus“, „Genozid“ – und „Die Heimat“?

Israel – ein Projekt des „Genozids“ und des „Siedlerkolonialismus“?
Der rhetorische Impuls hier ist altbekannt: Man nimmt die Begriffe der Anklage – Kolonialismus, Genozid – und klebt sie dem jüdischen Staat an die Stirn. Nicht Kritik, sondern Anklage. Nicht Analyse, sondern Parole.

Die Pointe folgt in Käsemanns nächstem Kommentar:

„Na wenn sogar die Heimat internationale Solidarität und antiimperialistische Werte vertritt, ist das ja echt ein Armutszeugnis für euch.“

Wer gemeint ist? Nicht etwa ein palästinensischer Verein – sondern die rechtsextreme Partei „Die Heimat“, vormals NPD. Eine Partei, die das Bundesverfassungsgericht 2017 nicht nur als verfassungsfeindlich, sondern als „wesensverwandt mit der NSDAP“ einstufte.

Dass ein linker Politiker sich solcher Argumente bedient, um seine Kritiker zu diskreditieren – das wäre in den Worten eines illusionslosen Linken nicht nur ein Armutszeugnis, sondern ein Ausweis intellektueller Verwahrlosung.

Was passiert hier genau? Käsemann nimmt eine ideologische Abkürzung. Er behauptet, selbst Neonazis würden heute „antiimperialistische“ Werte vertreten – um jenen Linken den Spiegel vorzuhalten, die Israel nicht dämonisieren. Das Argument lautet nicht mehr: „Wir sind links, weil wir gegen Ausbeutung sind“, sondern: „Sogar die Nazis sehen klarer als ihr.“

In der politischen Theorie nennt man das: Querfront-Logik.
In der Realität ist es: Bankrott.

Denn wer in seiner Rhetorik neonazistische Positionen affirmiert – selbst ironisch –, verrät nicht nur die antifaschistische Tradition der Linken. Er überschreitet eine Linie, hinter der politischer Diskurs zur Maskerade wird.

Käsemann spricht von „internationaler Solidarität“, von „antiimperialistischen Werten“. Das klingt groß – aber klingt eben nur so. Denn wo der Begriff des Antiimperialismus nicht mehr bedeutet: Emanzipation von Herrschaft, sondern nur noch Widerstand gegen Israel, wird er zur Worthülse mit antisemitischem Beigeschmack.

Was dabei verloren geht: Die Geschichte. Und mit ihr die Verantwortung.
Dass es einen jüdischen Staat gibt, ist kein Kolonialprojekt – sondern die Konsequenz aus der Shoah. Wer das nicht versteht, hat weder Marx gelesen noch Adorno begriffen. Er verwechselt Antiimperialismus mit Antisemitismus im progressiven Kostüm.

Eine Partei und ihr Kandidat

Dass diese Aussagen von einem Direktkandidaten der LINKEN stammen, macht die Sache nicht besser – sondern schlimmer. Käsemann ist nicht irgendwer. Er ist Mitglied im Landesvorstand, Geschäftsführer einer Arbeitsgemeinschaft und öffentliches Gesicht einer Partei, die sich noch immer als antifaschistisch bezeichnet. Und doch verteidigt er seine Rhetorik mit einem Zitat, das man auch aus der Kommentarspalte des „Compact“-Magazins erwarten würde.

Die Frage sei erlaubt: Wer Neonazis für ihre angebliche „antiimperialistische“ Haltung lobt – kann der glaubhafte Antifaschismus vertreten?

Ein Instagram-Kommentar ist kein Gesetz. Aber manchmal sagt ein Kommentar mehr über den Zustand der Linken aus als jede Parteitagsrede.

Was Marlon Käsemann schreibt, ist kein Ausrutscher. Es ist ein Symptom.
Ein Zeichen dafür, dass sich Teile der deutschen Linken so sehr im Spiegelbild des Antiimperialismus verlieren, dass sie den Faschismus dort nicht mehr erkennen, wenn er ihnen freundlich entgegenwinkt.

Wer Israel einen Genozid unterstellt und dabei mit Rechtsextremen argumentiert, hat nicht nur den moralischen Kompass verloren – er hat die Geschichte vergessen, die ihn eigentlich verpflichten müsste.


Marlon Käsemann ist kein Einzelfall, sondern exemplarisch für ein größeres Problem: die Entgrenzung des linken Diskurses im Schatten postkolonialer Rhetorik und palästinasolidarischer Mobilisierung. Wo jede Kritik an Israel als „imperialistisch“ gilt, wird die Geschichte zur Folie ideologischer Projektion. Und aus Kritik wird Projektil.

Wer antifaschistische Politik im Landtag will, sollte sich fragen:
Kann eine Partei glaubhaft Antifaschismus vertreten, wenn unter ihren Kandidaten solche sind, deren ‚Antiimperialismus des dummen Kerls‘ ausgerechnet Neonazis für ihre angeblich antiimperialistische Haltung lobt?

 

 

 

 

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