Die Parteichefin der Partei Die Linke und das „Ja“ zum Gefühl

 

TL;DR: Ines Schwerdtner sagt „Ja“ zum linken Populismus – erklärt aber nicht, warum. Ein Bekenntnis ohne Begriff, ein Affekt ohne Analyse. Populismus ersetzt Widerspruch durch Gegnerschaft. Doch Politik beginnt nicht beim Gefühl, sondern bei der Klarheit der Begriffe.

Ines Schwerdtner bekennt sich zum linken Populismus – doch ohne Erklärung. Eine Analyse über Stil, Leerstelle und die Risiken politischer Affektlogik.

Ines Schwerdtner erklärt den linken Populismus für besser – aber nicht, warum.


Ein einzelnes Wort kann viel sagen – oder auch sehr wenig. Als Ines Schwerdtner, Parteichefin der Partei Die Linke, am Donnerstag auf X einen Screenshot eines SPIEGEL-Interviews mit dem Titel „Ist linker Populismus besser als rechter Populismus?“ veröffentlichte, fügte sie lediglich das Wort „Ja.“ hinzu.

Ein Wort, ein Bekenntnis, ein politisches Statement – aber auch ein Symptom.

Denn was zunächst wie eine provokante Antwort auf eine mediale Suggestivfrage erscheint, offenbart bei näherem Hinsehen eine Leerstelle: Weder wird erklärt, worin sich linker von rechter Populismus unterscheidet, noch warum der eine legitimer sein soll als der andere.

Das Empfinden der Menschenin Lösungen kanalisieren“ – so lautet ein Zitat aus dem Interview. Es klingt nach PR-Agentur, nicht nach Klassenanalyse.

Was bleibt vom Populismus, wenn man ihn „links“ nennt?

Dass Populismus schwer definierbar ist, darin sind sich Politologen wie Martial Libera (Université de Strasbourg) einig. Er ist keine Ideologie, sondern ein politischer Stil: emotional, antagonistischer Natur, direkt, medienkompatibel. Er lebt von Affektbindung und Frontbildung.

Laut Sylvain Schirmann (ehem. Sciences Po Straßburg) unterscheidet sich Populismus vom demokratischen Prinzip vor allem darin, dass er Repräsentation ablehnt:

„Populismus spricht direkt zum Volk – nicht über Institutionen.“
Diese Unmittelbarkeit verleiht ihm Schlagkraft – aber auch autoritäres Potenzial.

Schwerdtners „Ja“ reiht sich somit ein in eine wachsende Zahl linker Politikerinnen und Politiker, die Populismus als taktisches Mittel begreifen. Ein Mittel, das in Europa von Mélenchons La France Insoumise ebenso genutzt wird wie einst von Sahra Wagenknecht mit ihrer „#aufstehen“-Bewegung – inszeniert, digital beschleunigt und ästhetisch verpackt.

Doch was, wenn das taktische Mittel die strategische Orientierung verdrängt?

Die Geschichte der Bewegung Aufstehen zeigt, wohin populistische Rhetorik ohne kollektive Praxis führen kann: in eine Sackgasse der performativen Repräsentation. Professionell inszeniert, aber politisch ohne Bodenhaftung. Die „Bewegung“ begann mit einem Hashtag und endete als Partei-im-Wartezimmer – ohne Programm, ohne Basis, mit einem PR-Personal, das mehr von Logos als von Logik verstand.

Die Idee eines linken Populismus verliert spätestens dort an Kraft, wo sie beginnt, Ausschlussmechanismen zu reproduzieren. Wagenknechts Rhetorik über „realistische Linke“, „nützliche Idioten“ und „moralische Enteignung“ zeigt, wie schnell populistische Kommunikation kippt – vom Versuch, soziale Gegensätze zu artikulieren, zur Moralisierung gesellschaftlicher Spaltung.

Populismus, ob links oder rechts, funktioniert über Gegnerschaft – nicht über Analyse.

Ines Schwerdtner hat ein Wort gesagt. Kein falsches, aber ein unvollständiges.
Die Zustimmung zum Populismus bleibt ambivalent – nicht, weil das Volk ein schlechter Bezugspunkt wäre, sondern weil der Begriff zu oft zur Leerformel verkommt, zur affektiven Umverpackung politischer Ohnmacht.

Politik beginnt dort, wo Begriffe Klarheit schaffen, nicht dort, wo sie bloß Zustimmung erzeugen.

Und wer nur noch über Affekt erreicht, wird früher oder später vom nächsten Affekt abgelöst.

 

 

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