Neuköllner Endzeitnotizen oder: Eine Stellungnahme des Kollektivs K-fetisch

Tl;DR: Das Neuköllner Kollektiv K-fetisch wirft Juden raus, weil „Falafel“ auf Hebräisch angeblich kolonial ist. Antisemitismus? Nein, nur „kulturelle Ramifikation“. Vielfalt ja – solange sie nicht hebräisch spricht. Wäre „Hamas“ draufgestanden, wär’s wohl inklusiver gewesen.

Kritik am Statment des Kollektiv K-fetisch: Antisemitismus, Identitätspolitik & Cancel Culture rund um ein Falafel-T-Shirt mit hebräischer Schrift.


Wo einst Linke für internationale Solidarität kämpften, diskutieren Berliner Szene-Kollektive heute darüber, ob ein Falafel-Shirt der kulturellen Komplexität des Nahen Ostens gerecht wird. Auch das K-fetisch-Kollektiv kocht seine moralische Suppe – gewürzt mit Intersektionalität, Opferstatus und einer Prise Israelkritik – und fällt dabei zurück in die älteste, billigste Form des Antisemitismus: die sentimentale.

The T-shirt... was not based on the Hebrew writing on it, but rather its cultural ramifications
(Das T-Shirt... wurde nicht wegen der hebräischen Schrift kritisiert, sondern wegen seiner kulturellen Auswirkungen), schreiben sie. Man müsse – so das Kollektiv – die Region nicht auf einem T-Shirt, sondern auf der Metaebene begreifen. Dass jemand das Wort Falafel auf Hebräisch, Arabisch und Englisch trägt, gilt hier nicht als Symbol friedlicher Koexistenz, sondern als koloniale Verflachung.
Multikulti war gestern – heute ist alles Mikroaggression.

K-fetisch collective sees the T-shirt as culturally offensive since the design tries to reduce the entirety of the cultures of the region into a culinary symbol.
(Das Kollektiv empfindet das Shirt als kulturell beleidigend, da es die Vielfalt der Region auf ein kulinarisches Symbol reduziere.) Falafel, einst Speise, nun geopolitische Provokation. Mit dem richtigen Schriftzug – etwa „Hamas“ – hätte man womöglich mehr kulturelle Tiefe entdeckt.

Und weil semantische Haarspalterei allein noch keine Haltung macht, wird gleich die große Weltlage bemüht:

In a time where the people in Gaza are intentionally being starved by Israel...“
(In einer Zeit, in der die Menschen in Gaza absichtlich von Israel ausgehungert werden...) – Man stelle sich vor: In Gaza hungern die Menschen, und in Berlin trägt jemand ein T-Shirt mit „Falafel“ – auf Hebräisch! Das ist – in der moralischen Logik des Kollektivs – kein Mode-Fauxpas, sondern Beihilfe zum Zionismus.

Dass die Trägerin des T-Shirts vermutlich jüdisch war, wird nicht offen gesagt, aber zwischen den Zeilen verhandelt. Wer Hebräisch trägt, macht sich verdächtig. Antisemitismus? Nein, nein – man beeilt sich zu beteuern:

We welcome people from all backgrounds, given that they do not behave in racist, transphobic, homophobic, sexist or other discriminatory manners.“
(Wir heißen alle Menschen willkommen, solange sie sich nicht rassistisch, transphob, homophob, sexistisch oder anderweitig diskriminierend verhalten.) Was im Umkehrschluss heißt: Hebräisch tragende Falafel-Freund*innen verhalten sich diskriminierend. Semitisch, aber nicht salonfähig.

Es folgt die klassische Täter-Opfer-Umkehr:

The customers were subsequently asked to leave due to their aggressive behavior.“
(Die Kund*innen wurden wegen ihres aggressiven Verhaltens gebeten zu gehen.*) Die Aggression beginnt nicht bei denen, die Schriftzeichen mit Militärgewalt verwechseln, sondern bei denen, die sich nicht geräuschlos entfernen wollen, wenn man sie rauswirft. Man hätte es auch kürzer sagen können: Wir diskriminieren niemanden – außer er provoziert mit Essen.

Der Rest der Stellungnahme liest sich wie ein Safe-Space-Manifest auf Koffein. Trans*, queer, migrantisch, marginalisiert – alle Adjektive mit politischer Unfehlbarkeit werden in Stellung gebracht. Identität ersetzt Argument, Gefühl ersetzt Analyse. Damit der moralische Zeigefinger nicht zittert, wird zum Schluss noch die Community beschworen, deren Solidarität man dankbar annimmt – vermutlich, weil sie keine hebräischen Buchstaben trägt.

Wer hier noch Kritik äußert, gilt sofort als Angreifer. Nicht politisch, sondern existenziell. Die Erklärung endet, wie sie begann – nicht mit einem Begriff, sondern mit einem Gefühl.

K-fetisch hat sich nicht politisch verteidigt, sondern kulturell verbarrikadiert. Ihr Statement ist ein Manifest der Regression. Linke Begriffe dienen nicht mehr der Analyse, sondern als rhetorisches Alibi. Wer kulturelle Aneignung in einem Falafel-T-Shirt sieht, aber keinen Antisemitismus im Rauswurf eines Juden, hat den Kompass verloren – aber ein sehr reines Weltbild.

Sie wollten Vielfalt – aber ohne Jiddischkeit. Sie wollten Frieden – aber nicht, wenn Juden ihn tragen. Und sie wollten Politik – aber nur, wenn sie nach Neuköllner Mittagskarte schmeckt.

 

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