Die Linke Berlin, Gaza und die Reinwaschung der Hamas: Die Linke Berlin, Antrag A20 im Faktencheck
TL;DR: Antrag A20 an den Landesparteitag Die Linke Berlin nennt Israels Krieg gegen die Hamas „Genozid“ – und erwähnt die Kriegsverbrechen der Hamas mit keinem Wort. Er ersetzt Analyse durch Affekt, Täter durch Opfer, Geschichte durch Projektion. Er sagt wenig über Gaza. Aber viel über Die Linke Berlin.
Zur ideologischen Selbstentlarvung eines Antrags auf dem Landesparteitag der Berliner Linken
Die Berliner Linke debattierte am 15. November über einen Antrag mit schwerem Wortgepäck. Titel: „Stoppt den Genozid in Gaza“. Verfasst von der LAG Palästinasolidarität, getragen von Bezirksgruppen, Jugendverbänden und dem SDS, fordert das Papier nicht weniger als eine politische und sprachliche Generalmobilmachung gegen Israel. Warum? Weil das israelische Militär in Gaza angeblich einen Genozid begeht.
Was die Antragsteller für
moralische Klarheit halten, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als
ideologisches Wunschdenken mit bekannten Reflexen. Die Tragweite der Forderung
liegt nicht im Humanismus, sondern in der Projektion: Aus Tätern werden Opfer,
aus Opfern Täter. Wer sich dieser Umwertung widersetzt, gilt als Relativierer,
Reaktionär oder Komplize. Der Antrag entlarvt sich selbst – man muss nur lesen,
was da steht.
Gleich zu Beginn heißt es:
„Die Linke Berlin erkennt
an, dass das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen die Kriterien eines
Genozids erfüllen.“
(Z. 2–3)
Dass dieser Satz ganz oben
steht, ist kein Zufall. Genozid
soll nicht erklärt, sondern durch Wiederholung in den politischen Wortschatz
der Partei eingebrannt werden. Der Begriff erscheint mehr als ein Dutzend Mal,
als ersetze Quantität die Qualität des Arguments. Dabei ist Genozid kein moralisches
Etikett, sondern ein juristisch scharf definierter Begriff: der gezielte
Versuch, ein Volk als solches zu vernichten.
Die Antragsteller berufen sich
auf Amnesty International, UN-Sonderberichterstatter, die International Association of Genocide
Scholars. Was diese liefern, sind Berichte, Einschätzungen, keine
Urteile. Doch für den Antrag genügt das – als endgültige Diagnose. Genozid wird hier nicht
geprüft, sondern behauptet. Nicht als Analyse, sondern als Waffe im
Meinungskrieg.
Das hat Methode. Denn wer Genozid sagt, ruft Auschwitz
auf – und entledigt sich zugleich der historischen Verantwortung, die Auschwitz
hinterlassen hat. Dass Teile der deutschen Linken Israel heute als Täterstaat
brandmarken, ist kein neuer Reflex. Aber einer, der unter der Maske des
Menschenrechtsdiskurses alte Entlastungsstrategien reaktiviert.
Der Antrag geht noch weiter:
„Wir erkennen an, dass
Deutschland Mitverantwortung für den Genozid in Gaza trägt.“ (Z. 18)
Die Begründung?
Waffenlieferungen an Israel. Die Botschaft: Die Bundesregierung steht auf der
falschen Seite der Geschichte.
Was hier geschieht, ist ein
doppelt ideologischer Trick. Erstens: Der demokratische Staat Israel wird zum
Komplizen von Kriegsverbrechen erklärt, die Hamas – nicht einmal namentlich
erwähnt – bleibt moralisch unberührt. Zweitens: Die deutsche Schuld wird neu
codiert. Nicht mehr das jüdische Leben ist der historische Bezugspunkt
deutscher Verantwortung, sondern seine Gegner. Das nennt sich dann
Friedenspolitik.
Diese Umkehr ist keine
politische Analyse, sondern ein ideologisches Rückzugsgefecht. Der jüdische
Staat wird aus dem historischen Zusammenhang getilgt, um ihn als Störfaktor
einer vermeintlich gerechten Weltordnung neu zu dämonisieren. Aus Erinnerung
wird Entlastung, aus Aufarbeitung Anklage.
Der Antrag zeigt Anschlussfähigkeit
– nicht an Menschenrechtsdiskurse, sondern an eine ideologische Querfront. Wenn
Gruppen wie die Sumud-Flotilla,
die Hague Group
oder Streiks gegen
Militärlieferungen als legitime Widerstandsformen gepriesen werden,
dann ist das kein Versehen, sondern ein Bekenntnis. Der Kampf gilt nicht dem
Krieg, sondern dem Staat, der sich verteidigt.
Ziviler Protest gegen einen
„Genozid“, der nie bewiesen, nur behauptet wird, ersetzt die Auseinandersetzung
mit der Realität vor Ort. Israel wird zum Hauptfeind erklärt, Deutschland zum
Mittäter, der palästinensische „Widerstand“ – gleichgültig in welcher Form –
zum Opfer.
Nicht eine einzige Erwähnung
findet sich im Antrag zur Rolle der Hamas – jener Organisation, die am 7.
Oktober 2023 1.200 Menschen ermordete, über 200 Geiseln verschleppte und
seitdem gezielt Zivilisten als Schutzschilde missbraucht. Keine Silbe über
Terror, Tunnel unter Schulen, Kommandozentralen unter Kliniken.
Diese Leerstelle ist kein
Zufall, sondern politische Absicht. Wer Gewalt nur dann skandalisiert, wenn sie
von Israel ausgeht, betreibt keine Menschenrechtspolitik, sondern selektive
Empörung. Die Opfer jüdischen Lebens kommen im Antrag nicht vor. Dafür umso
mehr Zahlen über palästinensische Tote – geliefert von der Hamas, weitergetragen
von UN-Stellen, verbreitet von NGOs.
Fakten oder
Fiktionen?
Beispielhaft heißt es:
„Die tatsächliche Zahl
getöteter Palästinenserinnen
könnte mittlerweile bei 680.000 Menschen liegen.“* (Z. 57–58)
Eine Zahl, gestützt nicht auf
Forensik, sondern auf Modellrechnungen. Als Quelle dient u. a. die
UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese – eine erklärte Unterstützerin
der BDS-Kampagne. Ihre Glaubwürdigkeit zu Gaza ist so belastbar wie Ali
Chameneis Leugnung, dass Frauen im Iran unterdrückt würden.
Hier wird nicht recherchiert,
sondern suggeriert. Aus Verdacht wird Gewissheit, aus Zahlen werden
Schlagworte. Analyse ersetzt durch Affekt, Verbrechen durch Verdacht,
Komplexität durch Parole.
Besonders bemerkenswert ist
folgende Passage:
„Zudem bekennen wir uns
unmissverständlich zum Kampf gegen Antisemitismus. Grundlage ist für uns die
Jerusalemer Erklärung.“
(Z. 27)
Wer sich auf eine Definition
beruft, die explizit nicht
als antisemitisch gilt, wenn man Israel dämonisiert, delegitimiert oder
doppelte Standards anlegt – der bekennt sich nicht zum Kampf gegen
Antisemitismus, sondern zu seiner sprachpolitischen Umgehung.
Sich auf die „Jerusalemer
Erklärung“ zu stützen und gleichzeitig Israel einen Genozid zu unterstellen,
ist wie sich auf das Grundgesetz zu berufen, um die Gewaltenteilung
abzuschaffen. Es ist kein Widerspruch – es ist Kalkül.
Der Antrag A20 ist ein Dokument
der Selbstvergewisserung. Er ersetzt Analyse durch Affekt, Urteil durch
Sprachregelung, politische Realität durch ideologische Projektion.
Er bringt keine Erkenntnis,
sondern nur neue Feindbilder. Israel als Täter, Deutschland als Mittäter,
Palästina als ewiges Opfer. Die Hamas bleibt unsichtbar, das jüdische Leben
nebensächlich, die Shoah lediglich Kulisse für eine neue Schuldverlagerung.
Der Antrag A20 ist keine
Auseinandersetzung mit der Lage in Gaza. Er ist ein politischer Wunschzettel,
der Fakten ignoriert, Täterrollen vertauscht und die Hamas zum blinden Fleck
erklärt. Was als Menschenrechtsposition verkauft wird, ist in Wahrheit eine
ideologische Entlastungsstrategie – für eine deutsche Linke, die sich nicht
mehr mit ihrer Geschichte auseinandersetzen, sondern von ihr befreien will.
Das Ergebnis ist ein Antrag,
der nicht für Gerechtigkeit kämpft, sondern für ein Weltbild, in dem Israel
schuldig sein muss, damit man sich selbst wieder unschuldig fühlen darf.
Wer Israel einen Genozid
unterstellt, ohne die Hamas auch nur zu erwähnen, betreibt keine
Menschenrechtspolitik – sondern politische Schaufensterempörung im Interesse
einer faschistischen Organisation.
Der Antrag sagt nicht viel über
Gaza. Aber sehr viel über den Zustand der Partei Die Linke Berlin.
