Warum es Israel geben muss – und nicht nur als Idee.

TL;DR: Israel existiert nicht trotz, sondern wegen Auschwitz. Wer Zionismus heute als Verbrechen deutet, stellt nicht den Staat infrage, sondern das Recht der Jüdischen Menschen, sich zu schützen.


 

Die Existenz Israels ist kein Geschenk, das die Welt den  Jüdischen Menschennach Auschwitz gemacht hat – sondern eine Notwendigkeit, die sich aus dem fortwährenden Zwang ergab, irgendwo auf diesem Planeten zu existieren, ohne jederzeit mit der eigenen Vernichtung rechnen zu müssen. Jean-Paul Sartre wusste: Der Jude ist nicht der, der sich dazu erklärt, sondern der, den der Antisemit als solchen markiert. Man kann nicht aufhören, Jude zu sein, so wenig wie man dem Blick des Antisemiten entkommen kann, der aus dem Hinterzimmer der Geschichte nie verschwunden ist.

Antizionismus ist oftmals das Alibi des salonfähigen Antisemitismus. Er kommt im Gewand vermeintlich moralischer Kritik daher, nennt sich „Israelkritik“ – ein Begriff, den man seltsamerweise nicht auf andere Staaten anwendet, die zur Frühstückspause Menschen köpfen. Gegen Israel jedoch, das sich anmaßt, den Juden ein Stück Welt zu sichern, in dem sie die Polizei rufen können, wenn sie sie von jenen bedroht werden, die ihren Tod wünschen – gegen diesen Staat kann man alles sagen, was man früher gegen „die Juden“ gesagt hat, nur ohne schlechtes Gewissen.

 Viele Mitglieder der Partei ‚Die Linke‘ – einst Stolz der Aufklärung, heute oft stolz auf ihre dunklen blinden Flecken – schreien am 9 November und 27. Januar „Nie wieder Auschwitz!“ und meinen eigentlich 365 Tage im Jahr „Nie wieder Zionismus!“, als ließe sich das eine vom anderen trennen. Améry hat es vor 50 Jahren bereits beschrieben: Seit Auschwitz gibt es für Juden keine Trennung mehr zwischen Person und Staat Israel. Israel ist nicht irgendein Staat unter anderen – Israel ist der einzige Staat, dessen Existenzrecht aus dem Vernichtungsversuch eines Volkes resultiert. Und die Geschichte, so dachten viele, sei vorbei. Bis zum 7. Oktober, als jüdische Körper wieder brannten, in Europa gejubelt wurde und in deutschen Städten der Davidstern aus Hausfluren verschwand – nicht weil jemand gegen Krieg, sondern weil viele für Pogrom waren.

Israel ist – in aller brutalen Klarheit – die einzige Versicherung der Jüdische Menschen dagegen, dass die Shoah sich möglichst nicht wiederholt. Kein anderes Volk musste sich in der Moderne ein Refugium gründen, weil seine Kinder, Alte und Schwachen systematisch industriell ermordet wurden. Und kein anderes Volk muss sich bis heute dafür rechtfertigen, dass es überlebt hat – und überleben will.

Man muss den Begriff „Zuflucht“ begreifen, nicht als romantisches Bild, sondern als bitteres Resümee. Améry schrieb: „Sie waren nicht dabei, als man den Nachbarn, Herrn Schlesinger, samt seiner Familie aus seiner Wohnung holte.“ Aber Israel war da, als der letzte Transport fuhr – und es ist noch da. Und es muss da sein. Nicht, weil es unfehlbar wäre, sondern weil es unersetzlich ist.

Wer das in Frage stellt, stellt nicht Israel infrage, sondern das jüdische Leben. Noch einmal. Und zum letzten Mal soll es das nicht sein.

Zugabe: Der Zionist als Feindbild – gemacht von Mitgliedern der Partei Die Linke

Jean-Paul Sartre wusste: Der Jude ist nicht der, der sich dazu erklärt, sondern der, den der Antisemit als solchen markiert. Und heute? Heute ist „der Zionist“ nicht mehr der, der Israel aufbauen will, sondern der, den die bayerische Landesgruppe der Partei Die Linke in Antrag A6 oder A7 – stellvertretend für Sektierer in anderen Landesverbänden der Linken – dafür erklärt hat. Wer nicht bereit ist, in jedem Soldaten der IDF einen Mörder, in jedem israelischen Schulkind einen Siedler, und in jedem zionistischen Gedanken ein koloniales Verbrechen zu sehen, wird verdächtig – und zwar nicht etwa des Irrtums, sondern der Unmenschlichkeit.

Zionismus – das war einmal der Versuch, die Shoah unmöglich zu machen. Heute ist er das Reizwort, mit dem sich selbsternannte Linke moralische Erhabenheit verschaffen, während sie sich mit der Differenz von Herrschaft und Schutz nicht aufhalten. Denn wer Zionismus sagt, meint in Wahrheit Israel – und wer Israel meint, meint eine Projektionsfläche, auf der sich Schuld umkehren, Geschichte zurechtbiegen und das eigene Weltbild im Spiegel der Verdammung bestätigen lässt.

Améry hat es kommen sehen: Dass ausgerechnet in Deutschland ein „Nie wieder“ formuliert wird, das nie wieder jüdische Selbstverteidigung meint. Dass der jüdische Staat nicht trotz, sondern wegen Auschwitz zum Skandal erklärt wird. Dass eine Partei, die sich links nennt, erklärt, Zionismus sei antisemitisch – was in etwa so logisch ist, wie zu behaupten, Antirassismus sei rassistisch, weil auch Malcolm X mal wütend war.

Die politische Technik ist bekannt: Man benennt nicht Missstände, man markiert Schuld. Nicht das, was gesagt wird, zählt, sondern wer es sagt. Nicht, ob ein Angriff antisemitisch war, sondern ob er „verständlicher Widerstand“ sein darf. So wird der Zionist, wie einst der Jude, zum moralischen Sündenbock. Nur diesmal nicht von Rechts – sondern von denen, die behaupten, auf der Seite der Menschlichkeit zu stehen. Und in Wahrheit doch nur versuchen, sich vom Schatten der Geschichte reinzuwaschen, indem sie ihn anderen überwerfen.

Das Ergebnis ist grotesk: Man kann heute kein Jude mehr sein, ohne verdächtigt zu werden, ein Zionist zu sein – und kein Zionist mehr, ohne in den Augen der Partei Die Linke ein verkappter Rassist zu sein. Und das, obwohl der Zionismus sich genau aus dem Bedürfnis speiste, nie wieder entrechtet, gejagt und verbrannt zu werden.

Manche Mitglieder der Partei Die Linke verwechselt Kritik mit Verdammung, Analyse mit Dogma, Verantwortung mit Regression. Der Antrag A6 erklärt den jüdischen Versuch, Sicherheit zu organisieren, zum Verbrechen. Antrag A7 erklärt den Schutz vor Antisemitismus zum Ausdruck desselben. Und wer widerspricht, ist entweder ein „hasbara“-Agent oder ein „deutscher Philosemit“ – beides natürlich Schimpfworte im pseudolinken Vokabular jener, die nicht sehen wollen, was ist.

Dabei ist es so einfach wie schmerzhaft: Der Zionist heute ist der Jude von gestern – ein Konstrukt, ein Feindbild, das gebraucht wird, um das eigene Bild von Gut und Böse nicht hinterfragen zu müssen. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen dem antisemitischen Blick und jenem „kritischen“, der Israel das Existenzrecht abspricht. Nur die Form hat sich geändert – nicht die Funktion.

Und wenn die Shoah am Ende noch dafür herhalten muss, den jüdischen Staat abzuschaffen, weil er angeblich aus ihr gelernt hat, falsch zu existieren – dann ist das nicht nur moralisch bankrott, sondern auch historisch pervertiert.

Israel existiert, weil Auschwitz geschehen ist. Und es muss weiter existieren, weil das, was auf direktem Weg zu Auschwitz geführt hat, nicht vorbei ist.

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