„Sozialismus der dummen Kerls“ – jetzt mit Warnung vor Mahnwachen

TK;DR: Sozialismus der dummen Kerls“: Wenn Linke Mahnwachen gegen Antisemitismus als Gefahr markieren, weiß man: „Nie wieder“ ist für diese Linken nur am 27.1. & 9.11. eine Mahnung – solange es nicht auf Hebräisch gesagt wird.



Der Fortschritt marschiert – diesmal nicht durch die Institutionen, sondern an ihnen vorbei: in Richtung Twitter, wo das proletarische Klassenbewusstsein in 280 Zeichen passt und der Antisemitismus nicht mehr geleugnet, sondern als Antizionismus emanzipiert wird. Janis Stieger, ein „Sozialist“ aus dem Ländle, bewaffnet mit Profilbild und Gesinnung, bedankt sich artig: „Danke für die Warnung!“ – gemeint ist nicht die Warnung vor Antisemitismus, sondern gegen jene, die vor ihm warnen.

Das nennt man Fortschritt, allerdings rückwärts.

Wo früher die internationale Solidarität geübt wurde – außer natürlich mit Juden, die es wagten, sich selbst zu verteidigen – reicht heute ein Zitat-Tweet, um zu markieren, dass man sich im falschen Lager wähnt. Israel solidarisch? Jüdische Menschen, Jüdisches Leben sichtbar? Antisemitismus benennen, ohne sich dabei die Kehle an der eigenen antiimperialistischen Phrase zu verschlucken? Danke für die Warnung!“ – ruft der deutsche Linke, der gelernt hat, dass „Nie wieder“ nur am 27. Januar und am 9. November gut klingt – aber nur, wenn es nicht auf Hebräisch gesagt wird.

Die Mahnwachen, um die es geht, erinnern nicht an irgendein abstraktes Prinzip, sondern an konkrete Menschen: an Entführte, an Ermordete, an lebendige Geschichte. Das scheint zu stören. Wer im deutschen Partei-Linken Diskurs „Antisemitismus“ sagt, muss heute damit rechnen, als „Zionist“, als Agent einer fremden Macht gebrandmarkt zu werden. Wer Gedenken fordert, ohne antiisraelische Fußnoten, gilt bereits als Provokateur im Dienste der „rechten Regierung Israels“. Und wer Juden nicht als Mahnmal, sondern als Nachbarn versteht – gar als Bürger eines jüdischen Staates –, der braucht offenbar Sicherheitsvorkehrungen.

Dass der deutsche Linke sich dabei auf der richtigen Seite der Geschichte wähnt, ist keine Überraschung, sondern Tradition. Schon immer fand man Wege, gegen den Faschismus zu sein, ohne je mit seinen Opfern zu sympathisieren. Bebels „Sozialismus der dummen Kerls“ – das ist jener, der alles kritisch sieht, nur nicht sich selbst. Und der, wenn man ihm den Antisemitismus zeigt, zurückzwitschert: Danke für die Warnung!
Man wird sich erinnern.

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