Immer wieder, immer noch – der Tod ist ein Meister aus Deutschland

 TL:DR: Am 3. Oktober feiert Deutschland sich selbst – und eine Demo erinnert an das, was verdrängt wird: Kolonialverbrechen, Shoah, Pogrome, Sozialabbau. Wenn Faschisten wieder stärkste Kraft werden könnten, heißt Widerstand: Pflicht, nicht Option.


Gegen das Vaterland, seine Einheitsfeier – und die Rückkehr der Barbarei mit demokratischem Anstrich

Warum ich die antifaschistische Demo gegen den Tag der Deutschen Einheit am 03.10.2025 in Saarbrücken begrüße – und warum Schweigen keine Option mehr ist

Am 3. Oktober will Deutschland wieder feiern – diesmal in Saarbrücken. Offiziell Einigkeit, Recht, Freiheit. Inoffiziell: die rituelle Selbstvergewisserung eines Staates, der seine Vergangenheit abgelegt hat wie ein zu eng gewordenes Jackett – aber den rassistischen Unterfutterstoff drin gelassen hat.

Warum ich die antifaschistische Demo „IMMER WIEDER, IMMER NOCH: DER TOD IST EIN MEISTER AUS DEUTSCHLAND“ begrüße?
Weil es einen Unterschied macht, ob man ein Datum gedenkt – oder es glorifiziert. Weil der 3. Oktober 1990 nicht das Ende der Geschichte war, sondern ihre schiefe Verlängerung unter kapitalistischem Vorzeichen. Und weil man beim Blick auf die rechte Seite im Parlament mittlerweile nicht nur das Kotzen, sondern das Fürchten bekommt.

Wenn erstmals seit Hitler eine offen rechtsextreme Partei laut Umfragen stärkste Kraft im Bundestag werden könnte, dann ist das nicht „Protest“ – das ist Reanimation. Und wer das ignoriert, wird irgendwann aufwachen und merken: Der Faschismus kommt nicht mit Uniform zurück – sondern im Sakko, mit bürgerlichem Lächeln und Grundgesetz im Jackett.

Feiern? Nein, danke. Widerstand ist angesagt.


Die Einheitsfeier: Ein Spektakel für Vergessliche

„Wieder gut geworden“ nennen sie sich, diese neuen, alten Deutschen.

Doch was ist gut an einem Land, das 60 Jahre nach Auschwitz wieder davon redet, „Remigration“ sei ein realistisches Projekt?

Die jährliche Einheitsfeier, dieses kostümierte Geschichtsdrama, ist nichts als eine Inszenierung: ein Schlussstrich unter alles, was nie wirklich aufgearbeitet wurde. Sie verschleiert Kontinuitäten – von Windhuk über Warschau bis Hanau. Wer meint, ausgerechnet dieses Land könne ein "normales" Nationalgefühl entwickeln, hat entweder keine Ahnung oder kein Gedächtnis.

Was 1990 als „Wiedervereinigung“ verkauft wurde, war in Wirklichkeit ein kapitalistischer Kahlschlag. Die DDR wurde nicht integriert, sie wurde liquidiert.
Aus volkseigenen Betrieben wurden Standorte zur Entsorgung.
Aus dem Recht auf Arbeit wurde Küchenpflicht, Ehediktat, Abtreibungsverbot.
Aus der „sozialistischen Persönlichkeit“ wurde ein Callcenter-Job mit Mindestlohn.

Und wer sich dagegen wehrte, wurde zum Jammerossi erklärt.
Ein Volk wurde „befreit“, indem man ihm alles wegnahm – erst die Ökonomie, dann die Sprache, dann die Erinnerung.

Nach der Wende zündete es in Hoyerswerda, in Rostock, in Mölln, in Solingen.
Der Mob brüllte, die Polizei schaute zu, das Parlament nickte – mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993.
Heute marschieren ihre Enkel wieder – im Nadelstreifen, im Trachtenjanker, im Bundestag.
Wer wissen will, wie Geschichte sich wiederholt: zuerst als Mord, dann als Talkshow.


Von der Demokratie zur Drohkulisse

Was uns als „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ verkauft wird, schützt längst nicht mehr die Menschen – sondern die Eigentumsordnung.
Wenn die Mieten steigen, die Löhne stagnieren und die Rechten marschieren, erklärt uns die Regierung, der Sozialstaat sei leider zu teuer.
Gleichzeitig steckt man Milliarden in Polizeipanzer, Grenzschutz und Gefängnisneubauten.

Wer heute in Deutschland lebt, lernt schnell: Freiheit meint vor allem die Freiheit der Reichen.
Und Einigkeit ist der neue Name für Maulkorb.

Wenn eine rechtsextreme Partei – mit Holocaustrelativierern, Rassisten und Demokratieverächtern – im Begriff ist, stärkste Kraft zu werden, braucht es mehr als Sonntagsreden und Instagram-Statements.
Es braucht eine Politik, die den Menschen dient, nicht dem Markt. Eine Politik, die nicht „Mitte“ sagt und „rechts“ meint. Eine Politik, der man noch vertrauen kann – ohne sich schämen zu müssen.

Weder Merz noch Söder, weder Olaf noch Lindner werden das liefern. Und die FDP liefert nur noch für Lobbyregister.
Die AfD ist keine Protestpartei, sondern der Wiedergänger eines Geistes, den wir für tot hielten. Und #fckafd allein ist kein Programm.

Wenn Karl Marx sagte: „Krieg den deutschen Zuständen!“, meinte er nicht nur die Bürokratie, sondern die ganze nationale Misere – den Untertanengeist, das Obrigkeitsdenken, das Bedürfnis nach innerer Ordnung und äußerem Feind.

Wir sagen: Schluss mit Pathos, Schluss mit Vaterland.
Antifaschismus heißt: kämpfen. Gegen den Nationalismus. Gegen den Standortfetisch. Gegen die Rechten – im Parlament wie auf der Straße.
Für Solidarität. Für Emanzipation. Für ein Leben ohne Angst – und ohne Nation.

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Antiautoritäre Linke das nicht vergessen.


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