Freiheit für die Masern – Impfpolitik als Kulturkrieg
TL;DR: In Trumps Amerika wird Impfen zur Ideologie, Wissenschaft zur Meinung, und Masern feiern Comeback in Florida. Während DeSantis Republikanisches Floridas „Impfen ist medizinische Sklaverei“ ruft, kämpft die Demokratische Westküste für Wissenschaftliche Fakten.
In den Vereinigten Staaten von Amerika – einst Vorreiter in Mondlandung und
McCarthyismus – hat mit dem Amtsantritt Donald Trumps nicht nur die Wahrheit
Urlaub genommen, sondern die Wissenschaft gleich die Kündigung erhalten. Und wo
ein Trump regiert, ist ein Robert F. Kennedy Jr. nicht weit –
Verschwörungstheoretiker von Geburt, Gesundheitsminister aus Gnaden eines
Präsidenten, der Desinfektionsmittel für eine Impfung hielt.
Was früher einmal „Impfschutz“ hieß, wird in
Florida heute „medizinische Sklaverei“ geschimpft. Die Regierung des
Sonnenstaats, wo Hirn schon immer mit Sonnenbrand verwechselt wurde, hat am
Mittwoch – im Namen der „Freiheit“, versteht sich – sämtliche Impfvorschriften
gestrichen. Nicht nur für Erwachsene, auch für Schulkinder. Gegen Masern,
Mumps, Röteln hilft künftig nur noch Gebet, das offene Fenster – oder der Segen
von Gouverneur DeSantis, dem Ronin der republikanischen Rechten.
Und weil bei Amerikanern die Sklaverei nie
ganz aus dem Denken verschwunden ist, vergleicht man die Pflicht zur
Immunisierung dort kurzerhand mit der Zwangsarbeit auf Baumwollfeldern. Dass
Impfungen nicht Ketten anlegen, sondern Ketten sprengen – eine zu komplexe
Erkenntnis für ein Land, in dem 40 Prozent der Bevölkerung lieber einem
Fernsehprediger glauben als einem Epidemiologen mit Doktortitel.
Doch das Elend schreitet nicht allein durch
Florida. In ganz Trumps Amerika ist das Impfen nicht mehr medizinische
Notwendigkeit, sondern ideologisches Minenfeld. Wissenschaft wird zur
Weltanschauung, Fakten zur Meinung, und Wahrheit zu einer Frage des Senders,
den man gerade schaut.
Impfpolitik ist in den USA
längst zum Stellvertreterkonflikt eines viel größeren Kulturkampfes geworden
– einer ideologischen Auseinandersetzung über die Deutungshoheit in Fragen von
Wahrheit, Autorität und gesellschaftlichem Zusammenhalt.
Und so wie Florida die Freiheit der Masern
feiert, formieren sich an der anderen Küste jene, die die Freiheit des
Verstandes zu verteidigen versuchen: Kalifornien, Oregon und
Washington kündigten am selben Mittwoch die Gründung einer Gesundheitsallianz
an, die „glaubwürdige Informationen“ über die Sicherheit und
Wirksamkeit von Impfstoffen austauschen soll. In einer gemeinsamen Erklärung
gaben ihre demokratischen Gouverneure bekannt, dass die Allianz sicherstellen
solle, „dass die Einwohner weiterhin durch die Wissenschaft
und nicht durch Politik geschützt werden“.
Das ist keine medizinische Maßnahme – das ist
eine Kriegserklärung im Kulturkampf.
Denn: „Das Impfen ist zum
politischen Werkzeug geworden, das zunehmend Ideologie statt Wissenschaft
verbreitet“, warnen die drei Westküstenstaaten – und kündigen
an, nicht zuzulassen, dass die Bevölkerung ihrer
Bundesstaaten durch ideologisch motivierte Gesundheitsdesinformation gefährdet
wird.
Man fragt sich: In welchem Jahrhundert leben
diese Gouverneure eigentlich? Im 20. vielleicht? Damals, als Wissenschaftler
noch Professoren waren und nicht Influencer auf YouTube?
Die Impfpolitik der Trump-Administration, so
sagen sie, sei nicht weniger als eine ideologische Biowaffe – mit potenziell
tödlichen Folgen. Für die Alten. Für die Kinder. Für alle, die glauben, dass
Fortschritt mehr sei als ein Algorithmus.
Früher leugneten Menschen
die Schwerkraft – heute die Immunologie.
Fortschritt
ist eben kein Naturgesetz.
Florida beendet die „Sklaverei“ der Impfvorschriften