Das Ruhrgebiet wird brauner. Nicht: ist braun geworden. Sondern: wird. Immer noch. Immer mehr.

TL;DR; Das Ruhrgebiet war einst rot, jetzt wird es braun. Gelsenkirchen 30 %, Duisburg 21 %, Essen 17 %. Die AfD ist kein Protest mehr, sondern Platzhirsch. Und die Linke? Spielt Streicher auf der Titanic. NRW zählt – und Antifaschist*innen weinen.




In der jungle world 2025/35 schrieb ich unter dem Titel Das Ruhrgebiet wird brauner – und hatte, wie ich zu meinem Bedauern feststellen muss, Recht. Damals notierte ich:

„Besonders dramatisch ist die Entwicklung im Ruhrgebiet, wo die Sozialdemokratie einst hegemonial war. Städte wie Gelsenkirchen, Duisburg, Essen oder Dortmund waren über Jahrzehnte SPD-Hochburgen, heutzutage droht dort die faschistische AfD die stärkste politische Kraft zu werden.“

Drohung erfüllt. Kein Unwetter, sondern eine systematisch heraufbeschworene Wetterlage: brauner Niederschlag über grauen Städten.

Was heute dort geschieht, ist nicht mehr Vorzeichen, sondern Vollzug. In Zahlen gegossen, ergibt sich ein Bild, gegen das jede Buntstiftkampagne der Bundeszentrale für politische Bildung wie ein Kindergeburtstag mit veganem Muffin-Buffet wirkt:

  • Gelsenkirchen: AfD bei rund 30 % – und das um 19:04 Uhr, nicht um Mitternacht. Link zur Schande: Wahlergebnisse Gelsenkirchen. 270.000 Einwohner*innen, also kein Dorf mit Scheunenfete, sondern ein urbaner Raum mit Asphalt und Abgrund.

  • Duisburg: Über 500.000 Einwohner, und die AfD mit 21,16 % zweitstärkste Kraft. Der Oberbürgermeisterposten ging (noch) an die SPD (warscheinlich), doch im Stadtrat sitzt der Abgrund nun links neben dem Rednerpult. Link zur Tragödie.

  • Essen: Früher Zeche, heute Rechtsruck. AfD springt von 7 % auf 16,91 %, also mehr als eine Verdoppelung in einer Stadt mit 570.000 Einwohnern. Wahlergebnis Essen

  • Bochum: AfD von 5,6 % auf fast 15 %. Noch Fragen? Die Linke legt zwar auch zu – von 6,1 auf knapp 10 % – aber das ist das politische Äquivalent zu einem Blumenstrauß auf einem Schlachtfeld. Bochumer Bilanz

  • Dortmund: Mit über 600.000 Einwohner*innen die Ruhrmetropole – doch politisch längst Provinz. AfD springt von 5,5 % auf fast 17 %, ein Plus von rund 200 %. Dortmunder Desaster

Die Zahlen sprechen nicht – sie brüllen. Und sie brüllen: Es reicht nicht mehr zu warnen. Man muss zählen. Und dann schreien.

Die AfD – jene Partei, die mit völkischer Programmatik und kalkulierter Menschenverachtung auf Stimmenfang geht – ist im Ruhrgebiet angekommen. Nicht als ungebetener Gast, sondern als eingelassener Hausherr. Wer da noch vom „Protest“ spricht, hat wohl auf dem Heimweg von der Wahlkabine die Antifa-Flyer ignoriert und den Geschichtsunterricht vergessen.

Und während die AfD ihre Prozente verdreifacht, feiert sich die Linke für ein Plus von 1,4 Punkten. Es ist ein bisschen, als hätte man beim Untergang der Titanic erfolgreich den Orchestertakt erhöht.

Was bleibt? Eine politische Landschaft, in der die Farbe Rot schwindet, Braun triumphiert, und selbst die Hoffnung sich aus dem Staub macht – wahrscheinlich Richtung Leipzig-Connewitz, letzter Außenposten der politischen Restvernunft.

Nachbemerkung: Wer das Ruhrgebiet verstehen will, muss nicht mehr Grillo lesen, sondern Wahlstatistiken. Und wer immer noch glaubt, man könne der AfD mit Dialog begegnen, darf sich in Zukunft auch mit dem Thermomix gegen den Faschismus verteidigen.


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