27. September, Berlin. Zwei Demos, eine Partei, null Einheit

TL;DR: Berlin, 27. September: Zwei Demos zu Gaza. Eine ruft „Salam Shalom“ und erinnert an Geiseln, benennt Hamas als Terror. Die andere spricht von Genozid, verschweigt den 7. Oktober und setzt Täter und Opfer gleich. Eine Partei, null Einheit.


Berlin, 27. September: Zwei Demos zu Gaza. Eine ruft „Salam Shalom“ und erinnert an Geiseln, benennt Hamas als Terror. Die andere spricht von Genozid, verschweigt den 7. Oktober und setzt Täter und Opfer gleich. Eine Partei, null Einheit.



Am 27. September in Berlin zeigt sich die Zerrissenheit der Partei 'Die Linke': hier Israelhass und Terrorverharmlosung, dort tastende Komplexität.

Am Pariser Platz werden Jüdische Menschen und Palästinenser*innen nebeneinanderstehen und  „Salam Shalom“ rufen. Ein paar Straßen weiter werden Anhänger*innen von „Zusammen für Gaza“ durch die Stadt ziehen, mit Parolen gegen Israel, gegen die Bundesregierung, gegen die Staatsräson und nicht gegen die Faschistische Hamas und deren Unterdrückung der Menschen in Gaza demonstrieren. Zwei Veranstaltungen, beide von Mitgliedern der Partei Die Linken – und doch könnten die Unterschiede größer nicht sein.

Die Partei, die sich seit Jahrzehnten an der Frage Israel spaltet, tritt nun zweifach auf: hier „Die Linke“, die Israel als Haupttäter markiert und zum Judenhass der Hamas schweigt; dort das Netzwerk „Progressive Linke“, parteiintern wie unabhängig als Verein organisiert, das den Mut hat, Hamas und Antisemitismus beim Namen zu nennen.

Wer die Geiseln vergisst, will keinen Frieden

„Salam Shalom“ spricht von dem, was jeder ernsthafte Versuch von Friedenspolitik zuerst bedenken müsste: den Geiseln. Wer Frieden fordert, ohne das Leben der Verschleppten zur Bedingung zu machen, schreibt kein Manifest – er malt Plakate. Die Progressive Linke nennt das „Nachhausebringen der Geiseln“ als Priorität.

Der Aufruf „Zusammen für Gaza“ verliert darüber kein Wort. Stattdessen wird Israel als „Genozidstaat“ bezeichnet, während die Täter und die Taten des 7. Oktober, die Hamas, immerhin Auslöser und Ursache des Krieges, nicht einmal in einer Fußnote vorkommen. Wer so schreibt, will nicht Frieden, sondern die Entlastung eines alten linken Ressentiments.

Die Progressive Linke nennt Hamas, Islamischer Dschihad und PFLP das, was sie sind: Terrorgruppen, die Zivilisten morden und instrumentalisieren. Dass Teile der Bevölkerung in Gaza gegen Hamas auf die Straße gehen, wird anerkannt.

Die Partei 'Die Linke' dagegen spricht von „Opfern in israelischen Gefängnissen“ und stellt deren Schicksal auf eine Stufe mit den Geiseln in Gaza. Die Differenz – zwischen einem Kind, das aus Israel verschleppt wurde, und einem Hamas-Mann, der ein Kind verschleppt hat – verwischt in der Gleichung „alle sind Opfer“. Das hat nur eine Konsequenz: eine sich „antifaschistisch“ gebende Partei fordert faktisch Freiheit für antisemitische Mörder im Namen des Völkerrechts.

Komplexität ist keine Schwäche – außer man hat sie nicht

Ja, die Progressive Linke bleibt vage. Von „alternativen Autoritäten“ für Gaza ist nur indirekt die Rede, von emanzipatorischen Stimmen, von der Tradition jüdisch-palästinensischer Initiativen. Kein klares Konzept, kein „wie genau“. Aber immerhin ein Horizont.

Die Partei 'Die Linke'  dagegen bietet keine Alternative, sondern nur die Forderung nach Israels Rückzug – sofort, bedingungslos, als Buße für die eigene Schuldgeschichte. Das ist nicht Politik, das ist liturgische Wiederholung: „Israel muss weichen.“

Das Völkerrecht kennt den Unterschied zwischen einem unschuldig Inhaftierten und einem Terroristischen Mörder mit geronnenem Blut an den Händen. Die Partei, die sich noch immer „Die Linke“ nennt, kennt ihn nicht – oder will ihn nicht kennen, solange der Mörder die richtigen Parolen grölt. Ihre Forderung nach „Freilassung aller Opfer von Kriegsverbrechen“ klingt nach moralischer Größe und meint in Wahrheit: Lasst sie laufen, die Schlächter vom 7.10., wenn sie nur laut genug „illegal inhaftiert!“ schreien.

Dass Israel nicht gegen einen Staat kämpft, sondern gegen eine Organisation, die sich ihrer Kämpfer wie ihrer Kinder bedient – in Zivil, ohne Rang, ohne Uniform, versteckt in Wohnblocks, Krankenhäusern und UN-Schulen – interessiert im Karl-Liebknecht-Haus weniger als der moralische Auftritt im Bundestag. Denn wer so kämpft, gilt, wenn er gefasst wird, als Zivilist – auch wenn er am 7. Oktober Kinder schlachtete. Oder, wie man es in dem Aufruf 'Zusammen für Gaza' der Partei 'Die Linke' nennt: als „Opfer von Kriegsverbrechen“.

Die Progressive Linke macht diesen Fehler nicht. Ihre Sprache ist bemüht, manchmal weich, doch sie erkennt an, dass ohne die Zerschlagung islamistischen Terrors keine Befreiung denkbar ist.

Die Wahl zwischen den beiden Aufrufen ist die Wahl zwischen einer alten Krankheit und einer neuen Hilflosigkeit.

  • Die alte Krankheit heißt: antiimperialistischer Antisemitismus, verkleidet als Menschenrechtsrhetorik. Das ist die Linke mit ihrem „Genozid“-Schrei.
  • Die neue Hilflosigkeit heißt: Komplexität beschwören, wo Klarheit nötig wäre. Das ist die Progressive Linke mit ihrem Wort „Komplexität“ als Ersatz für einen Plan.

Und doch: zwischen Krankheit und Hilflosigkeit wählt man die Hilflosigkeit. Weil sie wenigstens nicht tödlich endet.

Am 27. September stehen in Berlin zwei Linke auf der Straße: die eine mit den alten Parolen gegen Israel, die andere mit tastenden Versuchen, jüdisch-palästinensische Allianzen zu retten. Wer wissen will, welcher Aufruf dem Frieden näherkommt, muss nicht lange überlegen: Es ist der, der zuerst von Geiseln spricht und dann von Komplexität – und nicht den, der zum einen schweigt und von anderen nicht spricht.

Lieber eine Kundgebung, die islamistischen Terror klar Terror nennt, auch wenn sie in Komplexität schwelgt, als eine Demo, die mit Menschenrechtsparolen faktisch Straffreiheit für antisemitische Mörder fordert.

 

 

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