Linksjugend [‘solid] Berlin – Stalin Reloaded

 TL;DR: Die Linksjugend [‘solid] Berlin braucht keinen Stalin – moralische Überlegenheit und ein Beschlussprotokoll genügen, um seinem Geist Leben einzuhauchen. Wer abweicht, wird nicht widerlegt, sondern „entwickelt“. Kritik unerwünscht. Pluralismus? Ein überschätztes Relikt von ’89.



Man muss Stalin nicht mehr exhumieren, wenn man ihn zitieren – oder besser: leben kann.
Die Linksjugend [‘solid] Berlin hat das verstanden. In einer Glanzleistung autoritären Moralisierens, getarnt als „antirassistische Initiative“, erklärt sie kurzerhand den gesamten Landesverband Saarland zur unerwünschten Person. Die Anschuldigung?
Nicht abweichende Meinung – natürlich: Rassismus. Und wie es sich für ein ordentliches Parteigericht alter Schule gehört, spart man sich Beweise, differenzierte Analyse oder gar Gesprächsangebote. Es reicht ein Beschluss.

Wie sagte noch Michael Schumann, als die SED 1989 auf ihre letzte Runde ins Parteigefängnis wartete?

„Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System.“

Ein schöner Satz für demokratische Sozialist*innen, ein hohler Satz in der Hand derer, die sich nicht entblöden, Stalin durch das eigene Spiegelbild zu ersetzen.

Denn: Der Satz gilt bei [‘solid] Berlin offenbar nur, solange sich niemand mit der moralischen Allmacht des Berliner Jugendverbands anlegt – deren Weltbild zwischen Instagram-Post, Palästinatuch und YouTube-Videos der European Palestinian Youth Union festzementiert ist.

Wer abweicht, wird nicht widerlegt – sondern „entwickelt“.
Ja, richtig gelesen: Der Landesverband der Linksjugend [‘solid] Saarland soll „in eine antirassistische und palästinasolidarische Richtung entwickelt“ werden.
Von Berlin. Vom SDS. In bester Absicht. Und wie immer: auf Beschluss.

Ein „Entwicklungsvorhaben“, das an jene Tage erinnert, als Genossen aus Moskau anreisten, um den „Luxemburgismus“ in der polnischen Schwesterpartei auszurotten. Damals endete das mit Liquidierung durch Erschießung.
Heute reicht ein Federstrich im Bundesprotokoll. Fortschritt eben.

Die Berliner [‘solid]-Avantgarde hat begriffen: Man braucht Stalin nicht mehr, solange man moralische Überlegenheit wie eine Guillotine führen kann.
Der Gulag wurde durch ein Google Doc ersetzt, das Vergehen: falsche Gesinnung.
Der neue Volksfeind: die „enge Verstrickung mit einem israelnahen Jugendforum“.
Klingt wie ein Vorwurf aus dem SED-ZK-Bericht von 1955 über Paul Merker, in dem dieser als „zionistischer Agent“ gebrandmarkt wurde.

Was bleibt dem „rassistischen“ Linksjugend [‘solid] Landesverband Saar noch zu tun?
Nichts – außer still zu untergehen oder öffentlich Buße zu leisten. Mit Selbstkritik. Vielleicht sogar unter Tränen.

So roch es 1938, als die KPP in der Lubjanka ihre Sünden gestand – Luxenburgismus, Kosmopolitismus, trotzkistische Abweichung. Heute reicht: Israelnähe.

Die antiautoritäre Linke nach ’89 versprach Aufklärung, Pluralität, Debatte.
Berlin [‘solid] liefert stattdessen autoritäres Reinheitsstreben, Kaderlogik und Freund-Feind-Denken. Man „entwickelt“ – aber meint: säubert.

Ein Hinweis an die Genoss*innen im Saarland:
Die nächste Verbandsreinigung kommt bestimmt.
Nicht mehr mit Kugel und Gulag.
Sondern mit PDF und Pressemeldung.

„Die Geschichte wiederholt sich nicht“, sagt man.
Aber sie kann sich formatieren lassen – als Vorlage fürs nächste Beschlussprotokoll.

 Linksjugend [‘solid] Berlin: "Den LandesverbandSaarland in eine antirassistische und palästinasolidarische Richtungentwickeln"


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