Wenn der Antisemitismusvorwurf zum autoritären Werkzeug erklärt wird
TL;DR: „Israelkritik“ wird im Text „Linker Antisemitismus“ wird zum zionistischen und rechten Kampfbegriff! als Freiheitsakt inszeniert – doch wer Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung nicht reflektiert, verteidigt nicht Aufklärung, sondern projiziert Ressentiment als Haltung. Kritik? Ja. Nebel? Nein.
Die
politische Instrumentalisierung des Antisemitismusbegriffs?
Dieser Text
will mehr sein als ein Kommentar zum deutschen Diskurs. Er ist Manifest,
Abrechnung und Gegenrede in einem – gegen die politische Instrumentalisierung
des Antisemitismusbegriffs, gegen die deutsche Staatsräson, gegen die
Verflechtung zwischen israelischer Außenpolitik und deutschem Meinungsklima.
Der Autor, anonym bleibend, spricht von einer autoritären Wende, bei der „Israelkritik“*
zum Lackmustest der Meinungsfreiheit wird. Doch ist das Aufbegehren auch
Aufklärung? Oder nur ein Spiegel des ideologischen Unvermögens, Ambivalenz zu
ertragen?
Was dieser Text
will, ist klar: Er möchte den Diskurs öffnen – und verriegelt ihn dabei selbst.
Er beschwört kritisches Denken – und immunisiert sich zugleich gegen jede
Kritik. Die rhetorische Finte: Wer den Begriff „linker Antisemitismus“
verwendet, sei nicht nur ein Gegner, sondern Teil eines autoritären Projekts.
Die Ironie: Der Text, der vor Repression warnt, verteidigt sich mit dem
Verdacht – und ersetzt Analyse durch Abwehrhaltung.
Die
Grundannahme – dass „Israelkritik“* kriminalisiert werde – ist nicht
neu. Neu ist nur, mit welcher Chuzpe hier die Kategorien verdreht werden: Wer
Israel verteidigt, ist verdächtig. Wer Antisemitismus benennt, betreibt
Repression. Wer Widerspruch äußert, muss sich rechtfertigen – aber nicht der
Text selbst. So funktioniert ideologische Selbstvergewisserung: durch
Projektion, nicht durch Argument.
Dabei wäre
Kritik an der israelischen Regierung – an Siedlungspolitik, Gewalt in Gaza,
ethnonationalistischer Rhetorik – legitim, notwendig, richtig. Aber der Text
verweigert diese Unterscheidung. „Israelkritik“* bleibt ein Leerbegriff,
der alles umfassen darf – auch das Ressentiment. Und wenn jüdische
Institutionen oder der Zentralrat sich äußern, gelten sie nicht als
Gesprächspartner, sondern als Verdächtige.
Der Text
behauptet, Diskursräume würden schrumpfen – und macht sich zugleich die Welt
klein: Ahmad Mansour, Muriel Asseburg, die Bundesregierung, der
Verfassungsschutz, die Medien – alle Teil einer Strategie, die Wahrheit zu
unterdrücken. Die Methode ist vertraut: strukturelle Verschwörung ohne
Verschwörungstheorie, Diskurskritik als ideologischer Tunnelblick.
Die
entscheidende Schwäche liegt darin, dass die Anklage umfassender ist als die
Analyse. Dass die Opferrolle größer ist als der Realitätssinn. Dass „Israelkritik“*
als Freiheitsakt deklariert wird, ohne ihre Implikationen zu reflektieren.
Die Frage, wann Kritik zur Dämonisierung wird, bleibt ausgespart – vermutlich,
weil sie das ganze Gebäude ins Wanken bringen würde.
Ein Text, der sich für Widerspruch rüstet, indem er ihn zur Bestätigung
erklärt. Der Aufklärung verspricht, aber im Alarmismus endet. Der linke
Selbstschutz mit linker Kritik verwechselt. Und der am Ende nicht die
Instrumentalisierung des Antisemitismus kritisiert, sondern selbst
instrumentalisiert – unter einem anderen Vorzeichen.
* Zur
Begriffsklärung „Israelkritik“
Der Unterschied
zwischen den Begriffen „Israelkritik“ und Kritik an Israel ist
nicht bloß semantisch, sondern politisch. Kritik an Israel – genauer: an der
israelischen Regierung oder deren Politik – ist so legitim wie die Kritik an
jeder anderen Regierung. Sie richtet sich gegen konkrete Entscheidungen,
Handlungen oder Programme und geschieht mit dem Anspruch auf Gleichbehandlung.
„Israelkritik“
hingegen ist ein
rhetorisches Konstrukt. Es benennt keine bestimmte Politik, sondern ein
diffuses, oft ressentimentgeladenes Verhältnis zu Israel als Staat, Symbol oder
Chiffre. Diese Form der „Kritik“ verfehlt nicht nur die Sachebene, sondern
arbeitet häufig mit Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung –
den sogenannten „3 D“ des israelbezogenen Antisemitismus.
Wer also über „Israelkritik“
spricht, sollte präzisieren, ob er Israel meint – oder den Begriff benutzt,
um antisemitische Tropen in den Mantel moralischer Empörung zu kleiden.

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