Vom „kommunistischen Irren“ zum „sehr rationalen Mann“
TL;DR: Trump umarmt Zohran Mamdani, während Rechtsaußen Aktivistin Marjorie Taylor Greene das MAGA-Schiff verlässt. Der 47. Präsident lobt den Sozialisten, den er einst „kommunistischen Irren“ nannte. Kein Sinneswandel – bloß Inszenierung. Rebellion ist nur noch Rollenvergabe.
Trump umarmt
Mamdani – und das Establishment sich selbst
Es muss ein
merkwürdiger Tag gewesen sein im Oval Office. Eine Szene wie aus einem Lehrfilm
über politische Realitätsverschiebung: Trump ist begeistert vom Sozialisten Zohran
Mamdani und im Stich gelassen von der MAGA-Abgeordneten Marjorie Taylor Greene.
Der US-Präsident überschüttete den designierten Bürgermeister von New York City
am Freitag bei einem Besuch im Weißen Haus mit Lob. Fast zeitgleich verkündete
eine seiner engsten Verbündeten ihren Rücktritt aus dem Repräsentantenhaus und
besiegelte damit ihren Bruch mit dem republikanischen Parteichef. Die 2020
erstmals gewählte Kongressabgeordnete aus Georgia machte sich einen Namen als
Lautsprecherin diverser Verschwörungsmythen und lieferte – unter dem Beifall
Donald Trumps – eine Rhetorik ab, die nicht nur hetzerisch war, sondern
gelegentlich auch die Vorstellung politischer Gewalt gegen demokratische
Kollegen als legitime Option behandelte. Der US-Präsident überschüttete
fast zeitgleich den designierten Bürgermeiste von New York City am Freitag
bei einem Besuch im Weißen Haus mit Lob. Fast zeitgleich verkündete eine seiner
engsten Verbündeten ihren Rücktritt aus dem Repräsentantenhaus und besiegelte
damit ihren Bruch mit dem republikanischen Parteichef.
Donald Trump,
der 45. und nun auch 47. Präsident der Vereinigten Staaten, verteidigt Zohran
Mamdani, designierter Bürgermeister von New York – und das ausgerechnet gegen
den Vorwurf, ein „Dschihadist“ zu sein. Mamdani, zuvor von Trump öffentlich
als „hundertprozentiger
kommunistischer Irrer“ verunglimpft, wird nun als „sehr
rationaler Mann“ geadelt – und Trump erklärte sogar, er würde sich endlich
wieder wohlfühlen, nach New York zurückzukehren, sollte der vom
linken Parteivorstandsmitglied Thies Gleiss frenetisch gefeierte 34-jährige
demokratische Sozialist das Rathaus übernehmen.
Die mediale
Kommentierung reibt sich die Augen. Aber vielleicht ist das weniger ein Bruch
als eine Enthüllung. Denn was in Washington passierte, war keine plötzliche
Versöhnung, sondern die unverhohlene Anerkennung eines Gleichklangs – nicht der
politischen Inhalte, sondern des politischen Stils. Anti-Establishment schlägt
Ideologie. Und das ist nicht etwa ein neuer Trend, sondern die konsequente
Fortsetzung eines globalen Karussells, das sich so schnell dreht, dass einem
dabei die Parteifarben verschwimmen.
Mamdani, in
Kampala, Uganda als Sohn des in Bombay geborenen Indisch Ugandischen Akademikers Mahmood
Mamdani und der indisch-amerikanische Filmemacherin Mira Nair geboren,
der einst als Rapper Young
Cardamom durch die Clubs zog, steht plötzlich im Zentrum der
amerikanischen Macht – nicht trotz, sondern wegen seiner biografischen
Reibungspunkte mit dem System. Als Berater gegen Zwangsräumungen ein Held der
Subalternen, auf Instagram ein Influencer mit Charisma, in Queens ein
Hoffnungsträger. Und jetzt also die Audienz beim Großen Exzentriker im Weißen
Haus, flankiert von einem Präsidenten, der ihn beschützt, lobt und
unterstützt – wie ein Vater seinen Sohn, der endlich gelernt hat, wie man
gewinnt.
Denn darum geht
es Trump, das war immer klar: ums Gewinnen. Nicht um Programme, Prinzipien oder
Parteitreue. In The
Art of the Deal heißt es nicht: „Sei
konsequent“, sondern: „Sei
faszinierend.“ Und wer heute faszinierend ist, darf morgen auch links sein.
Oder grün. Oder Sozialist. Solange er nicht Establishment ist.
Darin liegt das
eigentliche Drama dieser Begegnung: Nicht, dass Trump seine Meinung geändert
hätte – das wäre immerhin eine Nachricht. Sondern dass beide Männer in diesem
absurden Schulterschluss dieselbe Melodie summen, bloß in unterschiedlichen
Tonlagen. Mamdani als neuer Typus des hippen Systemkritikers mit
TikTok-Taktgefühl, Trump als alternder Wutunternehmer, der sich selbst längst
in dem Establishment wiedergefunden hat, das er einst zerschlagen wollte. Was
beide vereint, ist der Gestus des Rebellen – auch wenn sie längst in den
heiligen Hallen der Macht angekommen sind.
Dass Trump
Mamdani gegen Pressefragen verteidigt, ist keine Ironie. Es ist ein Akt der
politischen Spiegelung. „Ich
wurde schon schlimmer genannt als Despot“, sagt er. Und grinst. Mamdani
nennt ihn einen Faschisten. Trump nickt und nennt es „okay“.
Man versteht sich. Wer sich gegenseitig so beschimpfen kann, ohne es übel zu
nehmen, teilt vor allem eines: ein Verständnis von Politik als Bühne – nicht
als Verpflichtung.
Vielleicht ist
das das eigentliche Problem: Dass der große Gegensatz zwischen Rechten und
Linken – zwischen Trump und Mamdani, zwischen MAGA und Democratic Socialists –
in Wahrheit nur noch als ästhetisches Spiel existiert. Inhaltlich hat sich das
System längst aufgelöst in Pose, Performance, Populismus. Und das wird nicht
nur in den USA deutlich.
In Frankreich
springt Marine Le Pen auf Arbeiterdemos, in Deutschland hält die AfD plötzlich
Kundgebungen gegen Mietwucher ab. In Brasilien prügelt sich die Rechte um den
Sozialpopulismus. Und in den USA spekuliert man ernsthaft, ob Marjorie Taylor
Greene – eben noch die fleischgewordene QAnon-Provokation – dem linken Lager
beitreten könnte, weil sie „ehrlich
für die kleinen Leute“ kämpft. Willkommen in der großen ideologischen
Fluidität des 21. Jahrhunderts.
Dass Mamdani
diesen Tanz mitmacht, sollte niemanden überraschen. Er hat nicht gesiegt gegen
das System, sondern innerhalb seiner medialen Logik. Er wurde nicht trotz
seines Außenseitertums gewählt, sondern wegen seiner Vermarktung als
Außenseiter. Trump hat das vorgemacht – und Mamdani, ob bewusst oder nicht,
kopiert es. Die Inszenierung ist alles, der Konflikt bloß Kulisse. Und wer auf
der richtigen Seite der Kamera steht, darf alles sein: kommunistischer Irrer
oder rationaler Politiker, Rapper oder Bürgermeister, Anti-Establishment und
Establishment in Personalunion.
Das ist keine
Verschwörung – das ist Marketing. Und es funktioniert.
Nur bleibt am
Ende die Frage: Wenn alle Rebellen werden – wer bleibt dann, um das System zu
reparieren? Oder geht es längst nicht mehr um Reparatur, sondern nur noch um
das nächste virale Meme?
Trump hat
Mamdani umarmt. Nicht weil sie sich mögen. Sondern weil sie sich brauchen. Wie
zwei Gladiatoren in einer Arena, in der es längst nicht mehr um Wahrheit oder
Gerechtigkeit geht – sondern um Likes.
Die Frage ist nicht, wer gewinnt. Die Frage ist: Wer schaut noch zu?