Gesichtserkennung für Palästina – Solidarität mit Zoomfunktion

TL;DR: „Israels Regime“ + „Wen erkennt ihr?“ – Baé gießt, Thiel zoomt. Der eine ins Feuer der Suggestion, der andere in die Gesichter politischer Gäste. Kritik? Nein. Nur das alte Spiel: Wenn’s um Israel geht, wird der Steckbrief zur Tugend erklärt.


Denunziation im Namen der Palästina-Solidarität: Wie Tarek Baé und Michael Thiel mit Israel-Aversion und Gesinnungsschnüffelei Politik betreiben.


„160 Deutsche aus Politik, Medien und Wirtschaft ließen sich von Israels Regime gerade nach Israel einladen. Wen erkennt ihr?“ – so tönt es aus per Tweet von Tarek Baé, der sich selbst als Journalist bezeichnet und doch das tut, was Journalismus mit am wenigsten braucht: Er ersetzt Recherche durch Suggestion, Kontext durch Empörung und Analyse durch das gute alte Framing – diesmal im politischen Trikot der gepflegten Israel-Aversion.

„Israels Regime“ – als stünde nicht ein gewähltes Parlament, sondern ein Junta-General mit Sonnenbrille auf dem Balkon der Knesset. Dass der Begriff „Regime“ bei China, Iran oder Sudan selten fällt, zeigt weniger Doppelmoral als das kalkulierte Ziel: Israel nicht zu kritisieren, sondern zu delegitimieren. Kritik hat Substanz – dieser Satz hat nur Galle.

Und als wäre diese rhetorische Brandstiftung nicht genug, wird der digitale Scheiterhaufen auch gleich entzündet: „Wen erkennt ihr?“ Ein Aufruf zur kollektiven Enttarnung. Die Bildunterschrift als Steckbrief, das Gruppenfoto als Fahndungsaufruf. Früher nannte man die Denunziation, heute nennt man es wohl „kritische Solidarität mit Palästina“. Was für ein Fortschritt.

Und dann tritt auch schon der nächste Bühnengast aus der linksradikal-romantischen Fußnote in die Timeline: Michael Thiel, laut Profil „DKP, FC St.Pauli, Altona 93 -Pro Asyl, GfbV, Survival International“ und auf der Weltkarte der unterdrückten Völker so engagiert, dass es wirkt, als hätte das Völkerrecht bei ihm Untermiete bezogen. Sein Beitrag?
„Hast Du die Möglichkeit, dieses Bild, um das Dreifache zu vergrößern? Vielleicht kann ich dann einen Abgleich vornehmen!“
Ein Satz wie aus dem Handbuch für unauffällige politische Rasterfahndung. Früher nannte man das Gesichtserkennung, heute nennt man es „solidarische Aufklärung“.

Was sich hier zeigt, ist keine Kritik an israelischer Politik, sondern das Wiederaufwärmen eines politischen Musters, das sich in der deutschen Linken hartnäckig hält: Sobald es um Israel geht, wird aus Analyse Agitation, aus Menschenrechtsethik eine aufreizend selektive Moral – mit Messern gewetzt an der Landkarte.

Wo blieb dieser Eifer bei den Empfängen deutscher Delegationen in Katar? Wer zoomte in die Gesichter bei Wirtschaftsreisen nach Peking? Und hat Michael Thiel jemals ein Foto der saudischen Ehrenformation analysiert – oder gelten dort andere Maßstäbe, weil es keine Menorah im Hintergrund gibt?

Die Logik: Wer nach Israel reist, ist verdächtig. Wer sich zeigen lässt, wird sichtbar gemacht. Und wer nicht spurt, wird namentlich genannt. Das ist nicht Kritik – das ist das digitalisierte Wiederaufleben eines politischen Klimas, von dem man hoffte, es sei mit der Hofierung des ZK der SED untergegangen.

Wer Israel für das Problem hält, hat längst die Lösung im Kopf.

Die Tweets von Baé und Thiel entlarven sich selbst – man muss sie nur beim Wort nehmen. Der eine gießt Benzin mit der Attitüde des Aufklärers, der andere zündet mit der Neugier des Hobbyermittlers. Was bleibt, ist ein Feuer, das die Falschen wärmt – und die Falschen meint.

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