Besetzung des Karl-Liebknecht-Hauses, Racket, Revolutionspose
TL;DR: Der Bestätigung des Ausschlusses von Ramsis Kilanis aus der Linkspartei war richtig – die Besetzung des Karl-Liebknecht-Hauses durch seine Anhänger und ihre Forderungen zeigt, wie tief Teile der Linken in undemokratischen & autoritären Denkmustern verharren. Wer Rackets schützt, verrät den demokratischen Sozialismus
Warum die
Bestätigung des Ausschluss von Ramsis Kilani aus der Partei die Linke nur ein
Symptom ist – und die Besetzung des Karl-Liebknecht-Hauses zum Spiegel einer
entgleisten Linken wird.
Es beginnt mit
einer guten Nachricht – und endet, wie so oft, im Klamauk der
Prinzipienlosigkeit. Ramsis Kilani ist raus. Endgültig. Raus aus einer Partei,
die sich einst emanzipatorisch nannte und heute zunehmend als Auffangbecken für
autoritäre Opfermythen und antiwestliche Wohlfühlgewalt dient – mit
Antizionismus als Deckmantel für Antisemitismus und Hamas-Verharmlosung als
Ausweis radikaler Aufrichtigkeit.
Die
Entscheidung der Bundesschiedskommission der Linken, Kilanis Parteiausschluss zu
bestätigen, ist keine Heldentat, aber immerhin ein spätes Zeichen politischer
Hygiene. Wer öffentlich erklärt, es werde „mehr als einen Mord an Israelis“
brauchen, um den antikolonialen Sieg zu erringen, der hat in einer
demokratischen Partei nicht nur nichts verloren – der stellt sich mit jedem
Satz außerhalb dessen, was als legitimer Dissens durchgeht.
Dass Kilani
sich nach dem 7. Oktober 2023 nicht etwa distanzierte, sondern vielmehr mit
Tweets glänzte, in denen Hamas-Terroristen „heldenhaft die letzte Linie“
hielten, und das „Recht auf militante Selbstverteidigung mit allen Mitteln“
reklamierte, ist bekannt. Dass sein Umfeld das nicht als Problem, sondern als
Ausdruck authentischer Radikalität feiert – das ist das eigentlich
Erschütternde.
Was Kilanis
Kaderkreis folgen ließ, zeigt die Racketisierung der politischen Linken.
Unmittelbar
nach der Bestätigung des Ausschlusses wurde das Karl-Liebknecht-Haus besetzt –
von jenen, die im Namen der Demokratie ihre Missachtung derselben
demonstrieren. Es war die Wiederaufführung eines vertrauten Dramas: Wer die
Spielregeln nicht zu seinen Gunsten beugen kann, erklärt das Spiel für
illegitim.
Die Besetzer
präsentierten ein sechs Punkte umfassendes Ultimatum an die Partei – als wäre
sie Geisel und nicht Gastgeberin ihrer eigenen Entscheidungsprozesse. Forderung
Nummer eins: „Schutz palästinasolidarischer Stimmen“. Die Betonung liegt dabei
nicht auf Schutz, sondern auf Exklusivität: Wer Israel verteidigt, braucht hier
keinen Schutz – sondern besser einen Rückzugsort.
Die Sprache der
Forderungen changiert zwischen Agitprop und Presserecht: Man verlange „eine
offene Debatte über Zionismus“ – das klingt nach Hannah Arendt, meint aber die
Revision historischer Fakten durch ideologische Liturgie. Wer die Shoah zur
„Entschuldigung“ eines Staates erklärt, der „Apartheid“ betreibe, will nicht
diskutieren, sondern delegitimieren.
Adorno
beschrieb „Rackets“ als soziale Gruppen, die sich nicht durch gemeinsame
Ideale, sondern durch Abschottung, Loyalität und Gewaltpotenzial definieren.
Genau das beobachten wir in Teilen der heutigen Linken: In der
Palästinasolidarität bündelt sich eine gefährliche Melange aus
poststalinistischen Reflexen, trotzkistischer Diskurstotalität und einem
revolutionären Kitsch, der sich stets auf der Seite der „Widerständler“ wähnt –
egal, wie viele Zivilisten deren „Widerstand“ mit dem Leben bezahlen.
Das
Karl-Liebknecht-Haus wurde nicht besetzt, um Diskussionen zu eröffnen, sondern
um Macht zu demonstrieren. Eine kleine Gruppe beansprucht für sich, wer
dazugehören darf – und wer raus muss. Wer in dieser Logik nicht mitmacht, ist
„fanatisch pro-israelisch“, also Teil des Problems. Die Ironie: Dieselben
Menschen, die den Ausschluss Kilanis als autoritär verurteilen, fordern für
sich das Recht, parteiinterne Entscheidungen per Besetzung zu überstimmen.
Beispielhaft
dafür steht Hannah Bruns von der Landesarbeitsgemeinschaft Palästinasolidarität.
Die Aktivistin, die nun (laut ‚junge welt‘)
Forderungen an die Partei stellt, verließ diese 2018 mit einem
Austrittsschreiben, das mehr mit dem Kommunistischen Manifest zu tun hatte als
mit dem Grundgesetz. Darin hieß es: „Wer
in der Linkspartei arbeitet, verarscht das Proletariat.“ Und: „Nieder
mit der Linkspartei und allen Illusionen.“ Nun kehrt sie als Ratgeberin
zurück – in etwa so glaubwürdig, wie wenn Sahra Wagenknecht einen
Diversity-Workshop leiten würde.
Es zeigt sich
eine strukturelle Unfähigkeit der Partei Die Linke, sich von
antiemanzipatorischen, autoritär agierenden Rackets zu befreien, die unter dem
Banner der Solidarität für Palästina jede demokratische Struktur zersetzen. Die
Linke will vieles gleichzeitig sein: Friedenspartei, Protestbewegung,
Regierungsoption. Doch wenn sie sich nicht bald von denjenigen trennt, die
Antisemitismus als antikolonialen Ausdruck verklären, wird sie am Ende keine
dieser Rollen glaubhaft ausfüllen können.
Es war Prof.
Dr. Michael Schumann, der 1989 auf dem Außerordentlichen Parteitag der SED/PDS
sagte: „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System.“ Damals war
das ein Versprechen an die Politische Linke. Heute muss man fragen: Gilt es
noch?
Wer linke
Politik will, braucht linke Prinzipien. Und die schließen das Recht auf
Gewaltverherrlichung ebenso aus wie das Dogma der Einseitigkeit. Die Partei Die
Linke kann sich entscheiden: Für demokratischen Sozialismus – oder für die
Rackets, die ihn zerstören.
