Antisemitische Ritualmordlegende im Hörsaal
TL;DR: Antisemitische Ritualmordlegende bei Antizionistischen-Vortrag: Referentin sprach vor „Students for Justice in Palestine“ über Blut im Pessachbrot. Antizionismus wird zur Tarnung für alten Hass. Akademisch verpackt, ideologisch verrottet.
Was
ein Skandal ist – und was keiner sein sollte
„UCL
Students for Justice in Palestine freut sich, den Start einer aufschlussreichen
Geschichtsvorlesungsreihe bekannt zu geben.“ So begann die Ankündigung der
Gruppe, die seit Dienstag nicht mehr aktiv ist. Der Titel der Reihe: „Palästina: Von der Existenz zum Widerstand“.
Der erste Vortrag sollte von einer hauseigenen Expertin bestritten werden: „Die Geburt des Zionismus“, mit
Dr. Samar Maqusi,
Architektin, UNRWA-Veteranin und Forscherin am Person-Environment-Activity
Research Laboratory der University College London (UCL).
Es
war, wie man heute weiß, keine Geburt, sondern ein Rückfall – nicht in
koloniale Geschichte, sondern in einen antisemitischen
Mythos des Mittelalters.
Was geschah – und wie?
Dr. Maqusi nutzte die Bühne der studentischen Veranstaltung, um ein
gefährliches Narrativ zu verbreiten. Sie griff die Damaskus-Affäre von 1840 auf, paraphrasierte
deren antisemitischen Kern – die Ritualmordlegende – und fügte kommentarlos
hinzu, die Geschichte besage, dass Juden einen Mönch entführt und ermordet
hätten, „um an die Blutstropfen für die Zubereitung des heiligen Brotes zu gelangen.“
Auf die Frage, ob sie selbst daran glaube, wich sie aus: „Recherchieren Sie selbst.“
Ob
das als wissenschaftliche Aufforderung oder als zynische Ausrede gedacht war,
ließ sie offen. Die Grenze zwischen akademischem Diskurs und
verschwörungsideologischer Suggestion war in diesem Moment nicht mehr unscharf
– sie war durchbrochen.
Die
Ankündigung der Veranstaltung, veröffentlicht von UCL SJP, liest sich heute wie
ein Dokument unfreiwilliger Ironie. Die Reihe sei „aufschlussreich“
und werde „die
Ursprünge des Zionismus, seine Rolle in der Kolonialgeschichte Palästinas und
die Beteiligung Großbritanniens“ untersuchen. Von Ritualmord war in der
Ankündigung keine Rede – auch nicht davon, dass die Eröffnungssprecherin unter
anderem behaupten würde, Juden hätten in der napoleonischen Zeit „die
Finanzialisierungsstruktur ziemlich kontrolliert“ und Napoleon sei „von
französischen Juden bezahlt worden“.
In dem Video
ist Maqusi, ein ehemaliger Mitarbeiter von UNRWA, dem UN-Sonderbüro für Palästinenser,
zu sehen, wie er den Anwesenden erzählt: „Um 1838 gab es etwas, das als die
Damaskus-Affäre bekannt ist. Es geschah Folgendes: Ein christlicher Priester
namens Thomas verschwand in Damaskus während des sogenannten Laubhüttenfestes,
also eines jüdischen Festes. Die Geschichte besagt – und das sind Dinge, die
man liest, und wie gesagt, recherchieren Sie selbst, bilden Sie Ihre eigene
Geschichte –, dass während dieses Festes spezielle Pfannkuchen oder Brote
gebacken werden. Und Teil der heiligen Zeremonie ist, dass Tropfen Blut von
jemandem, der nicht jüdisch ist, also ein Heide, beigemischt werden müssen.“
„Die Geschichte besagt also, dass eine Untersuchung durchgeführt
wurde, um herauszufinden, wo sich Pater Thomas befindet. Er wurde ermordet aufgefunden,
und eine Gruppe von Juden, die in Syrien lebten, gab zu, ihn entführt und
ermordet zu haben, um an die Blutstropfen für das heilige Brot zu gelangen.“
Kurz: Die Veranstaltung war
angekündigt wie ein Geschichtsseminar – geliefert wurde ideologisches
Altmetall.
Das
UCL reagierte schnell. Präsident Michael Spence zeigte sich „zutiefst
entsetzt“ und erklärte, dass Dr. Maqusi nicht länger Zugang zum Campus
habe. Die Veranstaltung wurde der Polizei gemeldet, die Studierendengruppe SJP
bis auf Weiteres suspendiert. Der Vorfall werde „umfassend
untersucht“, hieß es.
In
einer offiziellen Stellungnahme sprach Spence von einem „abscheulichen
antisemitischen Vorfall“. Meinungsfreiheit sei grundlegend, dürfe aber „niemals
als Schutzschild für Hass missbraucht werden“.
Institutionelles Versagen mit Ansage
Die entscheidende Frage bleibt: Wie konnte es so weit kommen? Der Vorfall war
kein zufälliges Missverständnis. Er war die vorhersehbare Folge eines Milieus,
in dem antisemitische Codes als Teil des „Widerstandsdiskurses“ hofiert werden
– solange sie nur geschickt genug verkleidet auftreten. Maqusi lieferte den
Beleg, dass auch mittelalterliche Mythen heute noch akademisch recycelt werden
können, wenn die Verpackung nur modern genug aussieht.
Dass
die Einladung durch eine UCL-Hochschulgruppe erfolgte, die Dozentin als „unsere
eigene“ angekündigt wurde und der Vortrag als Auftakt einer Serie gedacht
war, zeigt: Es ging nicht um ein Einzelereignis, sondern um eine Plattform –
strukturell, organisiert, legitimiert.
Vergleichbare
Vorfälle sind an anderen britischen und amerikanischen Universitäten
dokumentiert. Die britische Bildungsministerin Bridget Phillipson hat den
Hochschulen unlängst „volle
Unterstützung“ im Vorgehen gegen antisemitische Umtriebe zugesichert. Doch
Worte alleine werden nicht reichen.
Denn
das Problem ist nicht nur, dass jemand solche Inhalte äußert. Es ist, dass sie
im Rahmen eines akademischen Formats geäußert werden konnten – ohne
Widerspruch, ohne Korrektur, mit dem Beifall einer Gruppe, die sich als Stimme
für „Gerechtigkeit in Palästina“ versteht, aber dabei alte Lügen wiederbelebt.
Die Universität entschuldigt sich. Die Gruppe schweigt. Die Dozentin wurde
entfernt, ihr Name von den Webseiten gelöscht. Doch das Video bleibt – ebenso
wie der Eindruck: dass antisemitische Inhalte heute wieder sagbar sind, solange
sie sich hinter dem Etikett „Dekolonialismus“ oder „Anti-Zionismus“ verbergen.
Maqusi hat am Dienstag keinen
Beitrag zur Aufklärung geleistet, sondern zur Vernebelung. Die Debatte um
Zionismus verdient historische Präzision – nicht alttestamentarische
Blutbilder.
Wenn sich an Universitäten noch etwas retten lässt, dann nur durch kritisches Denken – nicht durch kollektives Wegsehen.
Videoausschnitt aus: "Die Entstehung des Zionismus verstehen" mit Dr. Samar Maqusi
