Israels Diaspora-Minister sucht den Schulterschluss – mit einem britischen Rechtsaußen
TL;DR: Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Manchester lädt Israels Diaspora-Minister Amichai Chikli ausgerechnet Tommy Robinson nach Israel ein – einen Antisemiten & Rechtsaußen, den die britischen Juden ablehnen. Ein Zeichen der Solidarität ist das nicht.
Nach dem Anschlag auf eine britische Synagoge lädt Israels Diaspora-Minister
den rechtsextremen Tommy Robinson ein – und macht aus Solidarität eine
Rechenschwäche.
Am Tag nach
dem ersten tödlichen Anschlag auf eine Synagoge in der Geschichte
Großbritanniens – einem Land, das auch ohne Blutvergießen genügend
antisemitischen Bodensatz kennt – findet Israels
Minister für Diaspora-Angelegenheiten Amichai Chikli einen bemerkenswerten
Weg, auf das Grauen zu reagieren: Er lädt Tommy
Robinson nach Israel ein. Den Mann, der in Großbritannien als
personifiziertes Ressentiment gegen Migranten gilt, als Straßenprediger des
antimuslimischen Furors, als Schlägertyp, so die größte jüdische Organisation
des Landes, „der
die schlimmsten Seiten Großbritanniens repräsentiert“.
Es ist nicht
die erste Einladung, die Chikli an Europas politische Reizfiguren verschickt –
aber vielleicht die symbolträchtigste. Denn sie kam nicht irgendwann, sondern
exakt einen Tag nach dem Attentat von Manchester, bei dem zwei Mitglieder der
jüdischen Gemeinde ermordet wurden. Der symbolische Kontext war also nicht etwa
Zufall, sondern Inszenierung.
Robinson,
bürgerlich Stephen
Yaxley-Lennon, war nie ein Mann der Zwischentöne. Er führt die English Defence
League, marschiert vor Moscheen auf, schwenkt die Union Jack wie andere
ihre Strafregister – das eine so sichtbar wie das andere lang. Körperverletzung, Betrug,
Missachtung von Gerichten – Robinsons Kampf gegen den radikalen Islam verläuft
mitunter direkt durch britische Gerichtssäle. Dass ihm ausgerechnet Israels
Regierung die Hand reicht, ist kein diplomatischer Unfall, sondern ein
kalkulierter Schulterschluss.
„Tommy
ist ein mutiger Anführer“, schreibt Chikli. Die Knesset, so kündigt
Robinson an, werde er besuchen, genauso wie das Westjordanland – das er, wie es
im rechten Sprachgebrauch heißt, lieber „Judäa
und Samaria“ nennt. Auch Yad
Vashem steht auf dem Programm – allerdings ohne Einladung, wie dessen Leitung
eilig klarstellte. Man dulde Besucher, aber nicht ideologische
Instrumentalisierung.
Das Board of
Deputies of British Jews reagierte mit Empörung. Man fühle sich übergangen.
Der Minister, so der Vorwurf, verkenne nicht nur den Moment, sondern die Mehrheit:
Die britischen
Juden lehnen Robinson ab, entschieden und konsequent. Chikli wiederum sieht
in der Organisation längst eine linke Tarnkappe: „offen
mit linken, woken, pro-palästinensischen Parteien verbündet“. Ein
Kulturkampf, der nicht mehr argumentiert, sondern etikettiert.
Die Fronten
sind klar: Auf der einen Seite ein Minister, der internationale Repräsentation
mit rechtspopulistischem Schaulaufen verwechselt. Auf der anderen Seite eine
jüdische Gemeinschaft, die sich in einem Moment der Trauer gegen Vereinnahmung
wehrt. Der Vorwurf ist nicht, dass Robinson spricht – sondern wo, wann und
wofür.
Tommy
Robinson inszeniert sich als kompromissloser Verbündeter Israels – ein Mann,
der, so schreibt er selbst, nicht schweigt, wenn es um „die
Geißel des islamischen Dschihad“ geht. Seine Wahrheit allerdings kommt
selten ohne Nebenwirkungen. In seinem Weltbild verschwimmen Islamismus und
Migration, Linke und Terroristen, Akademiker und Kollaborateure. Seine
Feindbilder sind großzügig gezeichnet – oft mit dem Filzstift.
Dass er
seine Einladung als Beweis dafür liest, dass „normale Menschen keine Angst mehr
haben müssen, sich für Israel einzusetzen“, ist eine jener Verkehrungen, die
politische Rhetorik so gefährlich machen. Denn sie verwandeln legitime Kritik
in Feindpropaganda, Komplexität in Parteinahme, und Opfer in nützliche Symbole.
Dass
ausgerechnet am Vorabend seiner Reise der Knesset-Sprecher Ohana versichert,
Robinson diene der westlichen Zivilisation, spricht Bände. Ein Mann, der in der
Vergangenheit Demonstrationen organisierte, auf denen rechtsextreme Symbole
wehten, wird nun als Bollwerk gegen den „islamischen
Dschihad“ hofiert. Man könnte fragen: Welche Art von Antisemitismus soll
mit der Hilfe eines ehemaligen BNP-Mitglieds bekämpft werden?
Es ist diese
seltsame Umkehrung von Bündnistreue und ideologischer Reinheit, die sich durch
Chiklis Amtszeit zieht. Er hat bereits bei einer Konferenz
gegen Antisemitismus Politiker empfangen, deren Parteien antisemitische
Wurzeln kaum verbergen – aus Frankreich, Ungarn, Spanien. Jene, die kamen, um
gegen Judenhass zu sprechen, ohne ihn im eigenen Stall zu kehren. Die anderen –
darunter der britische Oberrabbiner – sagten ab.
Robinson
betont, dass seine Unterstützung für Israel keine PR sei, sondern Prinzip. Ein
Mann mit Prinzipien – so wie ein Presslufthammer Prinzipien hat: Er schlägt, wo
es laut ist. Dass er seine Reise als persönlichen Akt der Aufklärung
beschreibt, als Widerstand gegen die linke Meinungshegemonie an britischen
Universitäten, ist Teil des Narrativs vom „woken“ Mainstream, der unterwandert,
bevormundet und verrät. Israel wird dabei zur Projektionsfläche – für die wahren Werte des
Westens, für Patriotismus ohne Komplex, für Klartext statt Diplomatie.
Was bleibt,
ist ein Koordinatenverlust. Wer das rechte Maß verliert, lädt rechte Kräfte ein
– und verwechselt Härte mit Haltung. Israels Regierung spielt mit politischen
Brandbeschleunigern, um in der Diaspora Solidarität zu entfachen. Doch
Solidarität, die in Spaltung investiert, ist ein schlechtes Geschäft.
Die
Einladung Tommy Robinsons ist mehr als eine diplomatische Entgleisung. Sie ist
ein Symptom für eine tiefere Verschiebung politischer Allianzen – weg von
jüdischer Gemeinschaft, hin zur globalisierten Rechten. Ob Israels Regierung
damit neue Freunde gewinnt oder alte verliert, ist eine offene Frage. Sicher
ist: Die britischen
Juden wurden nicht gefragt.