Empörung als Ersatzhandlung: Jan van Aken über Trumps Plan

TL;DR: Van Aken zerreißt Trumps Plan moralisch, bleibt aber jede strategische Analyse schuldig. Statt Machtverhältnisse zu durchdringen, liefert er Empörung mit Wohlfühlfaktor – und scheitert so an dem, was er kritisiert: politischer Realitätssinn.

 Van Aken zerreißt Trumps Plan moralisch, bleibt aber jede strategische Analyse schuldig. Statt Machtverhältnisse zu durchdringen, liefert er Empörung mit Wohlfühlfaktor – und scheitert so an dem, was er kritisiert: politischer Realitätssinn.

Wenn Jan van Aken schreibt, Trumps Plan sei leider kein Friedensplan, dann ist das ungefähr so erkenntnisreich wie die Feststellung, dass ein Vorschlaghammer sich nur bedingt als Flöte eignet. Der Text beginnt mit hunderttausend Demonstranten in Berlin und endet – wie könnte es anders sein – mit dem Ruf nach Den Haag. Dazwischen: eine Moraldröhnung, garniert mit kolonialismuskritischen Allgemeinplätzen, der unerschütterliche Glaube an „die Menschen vor Ort“ und ein Schurkenpanoptikum aus Netanjahu, Trump und – pflichtschuldigst – der Hamas.

Doch dieser Beitrag, der vorgibt, den Trump’schen Plan zu zerpflücken, verrät mehr über die Unzulänglichkeiten einer bestimmten linken Analyseweise als über die tatsächliche Beschaffenheit des 20-Punkte-Plans. Die Wut ist gerechtfertigt, die Diagnose grob zutreffend – und doch verfehlt das Urteil die entscheidende Tiefe.

Van Aken "Leider kein Friedensplan" – Und was wäre einer?

Van Aken konstatiert: „An einem Friedensprozess müssen alle Beteiligten am Tisch sitzen. Eine Erkenntnis, die in etwa so analytisch ist wie die Behauptung, Wasser sei nass. Doch anstatt daraus analytische Konsequenzen zu ziehen – etwa zur fehlenden Repräsentanz der palästinensischen Zivilgesellschaft, zur strukturellen Unverhandelbarkeit des israelischen Sicherheitsdiskurses oder zum faktischen Ausschluss linker Akteure in Gaza –, wiederholt sich Van Aken in einem moralisch-sicheren Tremolo. Alles ist schlimm, besonders Trump.

Der Trump-Plan, so Van Aken, sei eine Allmachtsfantasie. Das stimmt. Aber: Welche außenpolitische Initiative eines US-Präsidenten ist das nicht? Und warum wird diese Fantasie nur dann kritisiert, wenn sie in einem republikanischen Sakko daherkommt? Man ahnt: Unter einem Präsidenten Sanders hätte derselbe Text vermutlich mit den Worten begonnen: „Nicht perfekt, aber ein Schritt in die richtige Richtung.“

Mit erkennbarer Verachtung beschreibt Van Aken die geplante Übergangsregierung als nicht die Interessen der Menschen in Gaza vertretend, sondern nur das eine: das von Donald Trump.“ Ein berechtigter Vorwurf – wenn man denn wüsste, wer diese mystischen „Menschen in Gaza“ eigentlich vertreten könnte. Die Hamas jedenfalls scheidet laut Van Aken aus (Selbstbestimmung jenseits der Hamas), ebenso wie externe Kolonialverwalter. Man fragt sich also: Wer bleibt? Und wer könnte sich inmitten zerbombter Städte, ausgebluteter Institutionen und konkurrierender Fraktionen überhaupt formieren?

Der Rückgriff auf Paul Bremer, den Zivilverwalter des Irak, ist bildstark – aber unfruchtbar. Denn was war das Scheitern in Bagdad? Das Personal? Die Mission? Oder schlicht der Glaube, eine imperial administrierte Demokratie ließe sich von außen transplantieren? Dass Van Aken keine Antwort bietet, ist kein Versehen. Es ist Methode. Denn eine solche Antwort müsste das linkspazifistische Dilemma anerkennen: Nicht herrschen wollen – aber auch nicht ertragen können, dass jemand anderes herrscht. Erst recht keiner, der nicht genehm ist.

Das Feindbild funktioniert: Trump, Netanjahu, Hamas – und sonst?

Van Aken nennt sie in einem Atemzug: die islamistische Hamas, die rechtsextreme israelische Regierung und der Größenwahn eines Donald Trump“. Ein Satz wie ein politisches Räucherstäbchen – viel Rauch, wenig Substanz. Denn indem er die Täterachsen auf diese Dreieinigkeit verengt, übersieht Van Aken, was der Trump-Plan – in seiner Rhetorik wie in seiner Struktur – tatsächlich erreicht: eine marginale, wenn auch fragile Öffnung Richtung Autonomiebehörde, ein Bekenntnis (wenn auch zähneknirschend) zur Nicht-Annexion, die faktische Absage an Massenumsiedlungen.

Das mag alles kosmetisch sein – aber es ist eine andere Kosmetik als die gezielte Entstellung durch Bomben. Wo Van Aken fundamentale Ablehnung predigt, liefert die differenzierte 20-Punkte-Analyse zumindest eine Art seismografisches Frühwarnsystem: Ja, der Plan ist ungleich, wankend, durchlöchert – aber nicht bedeutungslos.

Der entscheidende Unterschied zwischen Van Aken und der Kritik am 20-Punkte-Plan besteht nicht im Ziel – beide wollen einen gerechten Frieden –, sondern in der Wahl ihrer Werkzeuge. Während Van Aken mit dem moralischen Vorschlaghammer agiert (siehe: Ein Frieden, der den Menschen vor Ort nicht nützt und der von ihnen nicht verhandelt wurde, ist kein Frieden), operiert die Analyse mit dem Skalpell: Sie identifiziert die Leerstellen des Plans, ohne gleich das ganze Papier zu zerreißen. Sie erkennt an, dass es – im Vergleich zum mörderischen Status quo – überhaupt ein Plan ist, und dass politische Realität aus Kompromissen, nicht aus ethischen Absolutismen besteht.

Der Gastbeitrag von Van Aken entlarvt sich selbst, wenn er in einem Atemzug konstatiert: Immer sollte man Ideen und Plänen mit Offenheit begegnen – um dann genau das nicht zu tun. Was bleibt, ist ein Aufruf zur Selbstbestimmung ohne Adresse, zur Gerechtigkeit ohne Jurisdiktion, zum Frieden ohne Machtanalyse.

Dabei hätte Van Aken, gestützt auf Ihre 20-Punkte-Kritik, genau dorthin bohren können, wo es wehtut: in die strukturellen Einseitigkeiten, in die fehlende Verpflichtung Israels zum Rückzug, in die implizite Entmachtung der Palästinenser:innen durch ein US-geführtes Verwaltungsregime, in die geopolitischen Widersprüche zwischen arabischer Zustimmung und innerisraelischer Ablehnung.

Doch stattdessen zieht er es vor, das altbewährte Narrativ der US-Imperialismuskritik zu reproduzieren – solide gebaut, aber politisch steril. Am Ende liest sich sein Text wie ein Requiem auf einen Plan, den niemand zur Welt bringen wollte, aber alle gern beerdigen.

Jan van Aken wollte Trump demaskieren – dabei hat er sich selbst entlarvt. Der größte Fehler dieses Textes liegt nicht in seiner Ablehnung, sondern in seiner intellektuellen Kapitulation. Der Plan ist schlecht, keine Frage. Aber wer Frieden fordert und dabei auf Strategie verzichtet, bekommt bestenfalls das: ein moralisches Statement mit Selbstvergewisserungswert – und ohne politische Wirkung.

 

 

 

 

 

 

 

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