Eine Linke mit Kompass: Katharina König-Preuss im nd Gespräch
TL;DR: „Wenn die Perspektive von Jüdinnen und Juden nicht ernst genommen wird, ist das nicht mehr meine Partei“ – Katharina König-Preuss brilliert im nd-Interview mit Haltung statt Parolen. Ein Lehrstück über Israel, Antisemitismus und linke Orientierungslosigkeit.
Was macht eine Linke, wenn der Krieg tobt, Bomben auf Gaza fallen Wie Katharina König-Preuss im Gespräch mit Sebastian Haak für das nd klärt, warum Solidarität mit Israel und Mitgefühl für Palästinenser*innen kein Widerspruch sind – und warum man für die Linke bald ein Wörterbuch braucht.
und im eigenen Parteitag Definitionshoheit über Antisemitismus gespielt
wird wie Topfschlagen auf Kindergeburtstagen? Sie bleibt ruhig, sagt etwas
Kluges – und kündigt notfalls den Austritt an. Katharina König-Preuss tut genau
das.
In einem selten klaren, überraschend dichten Interview mit dem nd-Redakteur
Sebastian Haak – veröffentlicht am 21.07.2025 – klärt die Thüringer
Landtagsabgeordnete nicht nur ihre Haltung zu Israel, sondern gleich die der
gesamten deutschen Linken. Und zwar mit mehr Unaufgeregtheit als mancher
Sprachbeitrag auf linken Podien zwischen Rosa Luxemburg Stiftung und
TikTok-Kosmos.
Worum geht’s?
König-Preuss, bekannt als Sprecherin für Antifaschismus und Mitbegründerin
des Freundeskreises Israel im Thüringer Landtag, spricht über ihre
bedingungslose Solidarität mit Israel – und zugleich über ihr Mitgefühl mit den
Palästinenser*innen. Zwei Haltungen, die sich für sie nicht ausschließen
müssen, sondern politisch notwendig zusammengedacht gehören. Dabei verteidigt
sie das Existenzrecht Israels auch dann, wenn deren Streitkräfte sich nicht so
benehmen, wie man es von der „moralischsten Armee der Welt“ erwarten würde:
„Eine Armee ist eine Armee ist eine Armee.“ Punkt. Punkt. Punkt.
Ein Satz wie ein Paukenschlag. Kein Pathos, keine Ausrede – sondern
Realismus, gepaart mit der Einsicht, dass militärische Gewalt immer hässlich
ist, auch dann, wenn sie aus der Geschichte der Shoah heraus motiviert wird.
Was König-Preuss bietet, ist ein politischer Drahtseilakt, auf dem in der
Partei Die Linke derzeit kaum jemand zu balancieren vermag. Sie kritisiert die
Entscheidung, die Jerusalemer Erklärung zur Definition von
Antisemitismus per Parteitagsbeschluss zu übernehmen – als eine politische
Anmaßung gegenüber jüdischen Stimmen: „Parteitage beschließen doch keine
wissenschaftlichen Definitionen!“
Stattdessen plädiert sie für die IHRA-Definition, wie sie auch vom
Zentralrat der Juden mitgetragen wird. Wer da meint, König-Preuss würde die
wissenschaftliche Debatte ausblenden, übersieht ihre zentrale Forderung: Redet
mit den Betroffenen. Und zwar bevor man in Sonntagsreden von Empathie faselt.
Dabei wird sie nicht müde, zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus zu
unterscheiden. Wer Israel dämonisiert, statt es zu kritisieren, wer das
Existenzrecht infrage stellt oder pauschal Jüdische Menschenn für Handlungen der
Regierung Netanjahu verantwortlich macht, der verlässt für König-Preuss die
Grenze legitimer Kritik. Eine unpopuläre Haltung – aber keine unbegründete.
Auch das Gesprächsdesign von Sebastian Haak verdient Beachtung:
Kein Kuschelinterview. Haak hakt nach, konfrontiert, verweist auf Omer Bartov,
bringt Stimmen ein, die von Genozid sprechen. Er lässt König-Preuss nicht
bequem sein – und sie lässt sich nicht in die Enge treiben. Ein echtes
Streitgespräch, kein PR-Gesäusel.
Man spürt, hier wurde journalistisch gearbeitet: diskursiv zugespitzt,
multiperspektivisch geführt, ohne moralische Selbstgewissheit. Haak versucht,
die Widersprüche offenzulegen – König-Preuss antwortet differenziert, aber
unbeugsam. Was dabei herauskommt, ist eine politische Haltung, die sich nicht
in Twitter-Threads erklären lässt, aber dringend gebraucht wird: „Solidarität mit
Israel und Empathie mit Palästinensern schließen sich nicht aus.“
Der Satz ist so einfach wie selten zu hören. König-Preuss macht sich keine Illusionen über die Härte des israelischen Gegenschlags nach dem 7. Oktober – aber auch keine über die Illusion der Gewaltfreiheit auf der anderen Seite. Wer aus dem Leid der Menschen einfache Narrative basteln will, bekommt bei ihr keinen Beifall – sondern eine Erinnerung an Auschwitz und daran, warum Israel überhaupt existiert.
Und die Linke?
Die taumelt – wie so oft – zwischen identitätspolitischer Aufwallung und
außenpolitischer Ahnungslosigkeit. König-Preuss, die nicht müde wird,
historische Verantwortung und linke Solidarität miteinander zu versöhnen, steht
plötzlich wie ein Fremdkörper in ihrer eigenen Partei. Und kündigt konsequent
an, im Zweifel zu gehen:
„Wenn die Perspektive von Jüdinnen und Juden nicht ernst genommen wird, ist das
nicht mehr meine Partei.“
Bleibt die Frage, ob man einer Partei noch trauen kann, die
wissenschaftliche Definitionen abstimmt wie Grillwurstpreise auf dem Flohmarkt.
Ein Interview, das Maßstäbe setzt – für journalistische Gesprächsführung,
politische Differenzierung und moralische Standfestigkeit. Und für einen linken
Diskurs, der sich endlich entscheiden muss: Für Parolen oder für Haltung.