Antrag auf Parteiausschluss gegen Andreas Büttner
TL;DR: Antizionisten in der Partei Die Linke wollen ein Mitglied ausschließen lassen, das als Antisemitismusbeauftragter in Brandenburg wirkt – weil es Antisemitismus benennt. Der Antrag gegen Andreas Büttner hat keine Argumente, sondern fordert Gesinnungskontrolle. Geahndet wird nicht Inhalt, sondern Wirkung.
Ausfall
einer Partei oder nur ihres antizionistischen Flügels?
Eine kurze, aber notwendige Vorbemerkung:
Am 25. Juni 2025 twitterte Andreas Büttner:
„Vorgestern wurde mir der Antrag auf meinen Parteiausschluss zugestellt –
und ich habe ehrlich gesagt laut gelacht. Was ich hier gelesen habe, ist eine
Aneinanderreihung von Unterstellungen, Wunschdenken und innerparteilicher
Gesinnungskontrolle. Mit Politik, mit Realität, mit ernsthafter
Auseinandersetzung hat das alles nichts zu tun.“
Der Antrag, zehn Seiten lang, war allerdings längst bekannt. Bereits am 9.
Mai veröffentlichte ihn der Antragsteller – ein gewisser „Comrade Bobbycar“ –
stolz auf X, unter Beifall einschlägiger Zirkel. Ich habe ihn damals gelesen –
und nun, nach Büttners Tweet, erneut. Was sich darin findet, ist keine
Anklageschrift, sondern ein Dokument politischer Missdeutung. Der
antizionistische Flügel innerhalb der Partei Die Linke versucht, ein Mitglied
loszuwerden, das zugleich Antisemitismusbeauftragter des Landes Brandenburg ist
– weil es Antisemitismus beim Namen nennt. Seine Aussagen, so der Vorwurf,
widersprächen den Beschlüssen, Grundsätzen und der Ordnung der Partei. Doch was
ist das für eine Ordnung, die aus Wahrheit einen Völkermordvorwurf formt?
„Es ist erstaunlich“, schreibt Büttner, „wie viel Energie manche Leute
darauf verwenden, ein Parteimitglied loszuwerden, das sich eine eigene Meinung
leistet.“ Genau das ist der Punkt. Der Antrag gegen ihn ist keine Verteidigung
politischer Prinzipien. Er ist ein Exorzismus. Es geht nicht um Inhalte,
sondern um Abweichung.
Was folgt, ist kein argumentativer Text, sondern ein politisches Ritual:
Zehn Seiten Verstoßliste, zehn Seiten Kanonenschlag gegen die Ketzerei,
zehn Seiten politischer Ersatzvollzug. Ein „ideologische Verirrung“, wie
Büttner es treffend formuliert. Der Antrag ist ein Dokument moralischer
Überhöhung. Da wird nicht diskutiert, sondern verdammt. Nicht gefragt, ob
Büttners Aussagen sachlich zutreffen – sondern ob sie der Haltung
widersprechen. Oder, wie Adorno einmal sagte: „Die Moral ist der Besitzstand
derer geworden, die nicht denken wollen.“
Statt Argumenten: Reichweitenangaben. Statt Auseinandersetzung:
Empörungskaskade. „Diese Tweets erreichten zusammen eine hohe Reichweite bis in
sechsstellige Aufrufzahlen“ – steht da ernsthaft. Man möchte lachen, wenn es
nicht so traurig wäre: Eine Partei, die früher stolz auf ihre Debattenkultur
war, hat heute Angst vor Retweets. Die Herrschaft der Algorithmus-Moral ersetzt
die Prüfung durch Kritik.
Der Antrag erhebt den Völkermordvorwurf zur Orthodoxie. Wer Palästina nicht
augenblicklich und bedingungslos anerkennt, wer auf die Glenoidal
Antisemitische Rhetorik und die Bewaffnung der Hamas zum Zeck des Judenmordes
verweist, wird nicht als Realist behandelt – sondern als „schädlich für das
Ansehen der Partei“. Als Büttner ein Parteivorstandsmitglied kritisierte, das
eine Karte verbreitete, auf der Israel ausgelöscht war, schrieb er: „Wer diese
Karte teilt, will nicht zwei Staaten für zwei Völker – sondern einen Staat
anstelle von Israel.“ Das ist kein Tabubruch. Das ist Analyse. Doch Analyse hat
in einer Partei, deren antizionistischer Flügel Haltung über Erkenntnis stellt,
für viele Mitglieder keinen Platz mehr – und gerade darin liegt das Problem.
Ein anderer Satz, der als Beweismittel zitiert wird, lautet:
„Die Anerkennung eines Staates Palästina wäre ein politisch problematischer
Schritt, den man gehen könnte.“
Ein Satz, der in jeder außenpolitischen Redaktion diskutiert würde – hier
dient er als Beweisstück innerparteilicher Häresie. Dass Büttner seine Aussagen
stets mit Verweis auf UN-Dokumente, das Selbstbestimmungsrecht Israels und die
Realität bewaffneter Gruppen wie der Hamas begründet – zählt im Tribunal nicht.
Jene in der Partei, für die Antizionistische Haltung wichtiger ist als
Wirklichkeit, wollen nicht wissen, was ist – sondern nur, ob es passt.
Dass Israel für viele im antizionistischen Flügel nicht mehr als Realität,
sondern nur noch als Hindernis betrachtet wird, ist längst offenkundig. Der
Antrag gegen Büttner ist Ausdruck dieses Denkens. Statt dialektischer
Widersprüche – moralische Totschlagsformeln. Statt Debatte – Denunziation.
Büttners Gespräch mit Arye Sharuz Shalicar, Sprecher der israelischen
Armee, wird im Antrag beinahe skandiert. Seine Beteiligung an einem Podcast
wird nicht analysiert, sondern pathologisiert. Dass Shalicar Jude, Israeli,
Opfer antisemitischer Gewalt ist – interessiert nicht. Es passt nicht ins
Weltbild, also wird es getilgt. „Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, sagte
Ingeborg Bachmann. Aber nur, wenn sie nicht stört.
Der Völkermordvorwurf an Israel ersetzt für den antizionistischen
Teil der Partei jede außenpolitische Analyse. Die Realität – dass ein jüdischer
Staat sich verteidigt – darf nicht sein, weil sie nicht ins Schema passt. Statt
Israel zu verteidigen, klammert man sich an UN-Resolutionen aus den Sechzigern.
„So kämpft man für den Frieden wie der Arzt für die Gesundheit mit den
Autopsiebefunden seiner Patienten.“
Und damit kein Zweifel bleibt: Der Antrag wirft Büttner nicht nur Meinungen
vor, sondern ihre Wirkung. Das ist kaum politisch begründet – das ist
inquisitorisch. Der Ausschluss wird nicht beantragt, weil etwas falsch ist –
sondern weil es viele gesehen haben. Der antizionistische Flügel hat aus der
Öffentlichkeit ein Delikt gemacht. Der Maßstab: Sichtbarkeit. Der Vorwurf:
Reichweite. Die Logik: Wer gehört wird, gefährdet die Homogenität.
Was bleibt, ist eine Partei, die an vielen Stellen keine Kritik mehr
kennt – nur noch Zurechtweisung. Keine Analyse – nur noch Haltung. Keine Linke
– sondern eine moralisierender Apparat. Und wer sich widersetzt, steht unter
Verdacht.
Am Ende – und das ist das bezeichnende – droht von der Partei Die
Linke nur der Schatten einer Bewegung zu bleiben, die einst ein Bollwerk gegen
Faschismus, Krieg und Antisemitismus war. Heute ringt sie nicht mehr mit den
Gegnern der Aufklärung – sondern mit sich selbst. Büttner ist nur Symptom. Was
hier zerfällt, ist die Idee einer emanzipatorischen Linken. Eine Partei, die
den Völkermordvorwurf höher hält als das Argument, hat sich selbst aufgegeben.
Denn wer über Antisemitismus spricht, ohne über Kapitalismus zu sprechen –
der landet nicht bei der Kritik der Verhältnisse, sondern bei deren
Moralverwaltung. Der antizionistische Flügel der Linken trennt heute, was bei
Horkheimer noch zusammengehörte: Gesellschaftskritik und Antisemitismusanalyse.
Und das aus gutem Grund. Wer verstehen will, warum Israel für viele Linke zum
Feindbild wurde, muss über die verdrängte eigene Geschichte sprechen – über den
Wunsch, die Shoah als koloniales Kollateralschicksal umzudeuten und Israel als
Agent des Westens zu dämonisieren.
„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Antisemitismus
schweigen.“
– Max Horkheimer.
In Teilen der Linken tut man beides nicht – man redet lieber über
Ausschlüsse.
Der Antrag gegen Andreas Büttner ist ein Ausweis intellektueller Schwäche, ein moralpolitisch aufgeladener Vorgang, ein Akt systematischer Wirklichkeitsverdrängung. Eine Partei, die ihre umstrittensten Mitglieder ausstößt, beweist nicht Prinzipientreue – sondern erkenntnisfeindliche Schwäche. Wer das nicht erkennt, hat von Kritik selten geschätzt.