Raul Zelik fordert „Mamdanis Vater lesen“ – und übersieht dabei die Geschichte.
TL;DR: Wer Israel delegitimiert, Mamdani Vater zitiert, die Shoah verschweigt & Antisemitismus ignoriert, liefert keine Kritik – sondern Geschichte als Ideologie. Zeliks Text im nd ist kein Kommentar, sondern Propaganda. Eine Rezension.
Zeliks Kommentar "Linke und Nahost:
Mamdanis Vater lesen" im nd: Ideologie statt
Analyse, Geschichtsvergessenheit statt Kritik. Eine notwendige Abrechnung.
„Es ist zentral, zwischen
einer jüdischen Heimstatt und einem jüdischen Staat zu unterscheiden“, schreibt
Raul Zelik, zitiert zustimmend Mahmood Mamdani und behauptet weiter: „Die Idee,
dass das Land exklusiv jüdisches Eigentum werden müsse, vertraten nur die
Zionisten – niemand sonst.“
Wer so
schreibt, hat entweder nicht gelesen, was er zitiert, oder zitiert, um nicht
lesen zu müssen. In beiden Fällen bleibt das Ergebnis gleich: ein Text, der
vorgibt, historische Komplexität zu enthüllen, und stattdessen politische
Projektionen als Analyse verkauft.
Die Theorie als Trostpflaster
Zeliks Text
„Mamdanis Vater lesen“ ist der Versuch, den Konflikt zwischen einem politischen
Anspruch auf Kritik und der historischen Verantwortung gegenüber dem jüdischen
Staat nicht zu klären, sondern zu umkurven. Das Mittel: Theoriezitate statt
Realitätsprüfung. Mamdanis These vom „Nationalstaat als Synonym für Genozid“
dient Zelik als Generalschlüssel zur Welt – vorausgesetzt, man vergisst die
Gründe, warum es gerade in diesem Fall einen jüdischen Staat geben musste.
Wer Zelik
folgt, kann sich elegant aus der Verantwortung stehlen: Für Hamas, für den 7.
Oktober, für die Geschichte der Vertreibung der Juden, für das wiederkehrende
antisemitische Gewaltpotenzial in der arabischen Welt wie in Europa. Man muss
nur die Wörter „Kolonialismus“ und „Nationalstaat“ ein paarmal ins Publikum
rufen, und schon klingt Solidarität mit den Mördern nach Antikapitalismus.
Zeliks Text
lebt von einer Pose der Enttäuschung: „Verfolgt in der deutschen Linken
eigentlich irgendjemand internationale Debatten?“ – eine Frage, die man besser
umdrehen sollte: Kennt Raul Zelik eigentlich die Geschichte linker Debatten in
Deutschland? Und weiß er, dass „internationale Debatten“ kein Ersatz für
politische Urteilsfähigkeit sind?
Dass Bodo
Ramelow die israelische Flagge hisste, als jüdische Zivilist:innen gerade
massakriert worden waren, nennt Zelik einen „Beitrag zur Komplizenschaft mit
Kriegsverbrechen“. Das ist eine Volte, bei der der moralische Kompass nicht nur
ins Trudeln gerät – er explodiert.
Wer im
Moment der größten antisemitischen Gewalt seit dem Holocaust die
Solidaritätsgeste mit Israel zum Skandal erklärt, stellt nicht die Politik,
sondern die Legitimität jüdischen Schutzbedarfs infrage.
Zeliks Lieblingsbegriff ist die Differenz zwischen „jüdischer Heimstatt“ und „jüdischem Staat“. Diese Differenz ist nicht neu. Sie ist sogar gut belegt:Die Balfour-Deklaration vom 2. November 1917 sprach von einer „nationalen Heimstätte“ – bewusst vage, um Konflikte zu vermeiden. Erst nach der Shoah gewann die Forderung nach einem souveränen Staat unter Juden massive Dringlichkeit. Man nennt das historische Entwicklung.
Was Zelik
jedoch daraus macht, ist keine geschichtliche Differenzierung, sondern eine
ideologische Ausschlachtung: Zionismus = exklusiver Eigentumsanspruch, alles
andere = friedliche Koexistenz. Das ist, höflich gesagt, unhistorisch. Und
schlimmer: Es ist eine Auslassung, die ins Ideologische kippt.
Denn nicht
„nur Zionisten“ verbanden einen territorialen Anspruch mit jüdischer Existenzsicherung.
Auch der Jüdische Arbeiterbund
in Osteuropa entwarf Territorialmodelle, der Uganda-Plan wurde von Teilen des Weltjudentums diskutiert,
religiöse Bewegungen forderten spirituelle Rückkehr, säkulare Gruppen
kulturelle Zentren. Der Zionismus war nicht der Exklusivist, sondern eine von mehreren Bewegungen – und
letztlich die einzige, die nach Auschwitz überhaupt eine Antwort bieten konnte.
Die Verwechslung von Kritik und Delegitimation
Dass die
israelische Regierung kritikwürdig ist, ist so banal wie notwendig. Dass aber
aus dieser Kritik ein Vorwand wird, Israel als Staat zu delegitimieren, ist die
eigentliche Zumutung des Textes. Und das wird umso klarer, wenn Zelik schreibt:
„Deutsche
Linke verweigern linken Jüd*innen den Raum, damit diese die Gründungserzählung
Israels nicht beschädigen.“
Der Trick
ist bekannt: Wer „linke Jüd*innen“ zitiert, will sich immunisieren. Aber linke
Jüdinnen und Juden – von Arendt bis Gremliza – kritisierten Israel nie, um seine Existenz infrage zu stellen,
sondern um sie zu verteidigen gegen autoritäre Entstellungen. Es ist ein
Unterschied, ob man gegen israelische Siedlungspolitik ist – oder gegen Israel
als Staat. Wer das nicht erkennt, ist nicht kritisch – sondern ahistorisch.
Zelik
kritisiert Nationalstaaten als genozidal, verteidigt aber den Ruf nach einem
palästinensischen Staat euphorisch (vgl. sein Artikel vom 31.7.2025). Israel
hingegen soll offenbar verschwinden oder sich auflösen – in „Diversität“, was
immer das heißen soll. Der einzige Staat mit jüdischer Mehrheitsgesellschaft
soll also nicht das sein
dürfen, was Dutzende anderer Staaten unangefochten sind: Ort politischer
Selbstbestimmung für ein kollektives Subjekt, das jahrhundertelang genau das
nicht hatte. Zelik nennt das „Antinationalismus“. Man könnte es auch
Doppelmoral nennen.
Raul Zelik spricht mit dem moralischen Ernst eines enttäuschten Linken – aber er schreibt, als wäre das 20. Jahrhundert nie geschehen. Seine Unfähigkeit, den 7. Oktober als historische Zäsur zu benennen, seine selektive Empörung über staatliche Gewalt, seine bequeme Identifikation mit jüdischen Israel-Gegner:innen – all das macht den Text nicht analytisch, sondern symptomatisch.
Wer
ernsthaft glaubt, man müsse „die Gründungserzählung Israels beschädigen“, um
emanzipatorisch zu sein, sollte sich fragen, was Emanzipation ohne Sicherheit
für Juden in einer antisemitisch strukturierten Welt bedeutet. Hermann L.
Gremliza hätte geantwortet:
Eine Linke, die Israel delegitimiert, wird immer eine Rechte mit umgekehrtem
Vorzeichen bleiben.
„Linke
und Nahost: Mamdanis Vater lesen“ entlarvt sich selbst als plumpe,
geschichtsrevisionistische Propaganda. Man muss nur genau hinsehen.
