Zu „In Amerika eine Terrororganisation, in Deutschland steuerfinanziert“ – Der große NIUS Antifa-Report von Eric Steinberg & Felix Perrefort
TL;DR: Der NIUS-Antifa-Report inszeniert keine Analyse, sondern ein Feindbild. Er ersetzt Wirklichkeit durch Alarmismus, Kritik durch Schuldzuweisung, Komplexität durch Ideologie. Was bleibt, ist keine Aufklärung – es ist publizistische Eskalation mit politischer Absicht.
Die Autoren Steinberg und Perrefort – Letzterer einst Autor im Dunstkreis des Bahamas-Milieus, das sich selbst gern als letzten Rest dialektischer Vernunft gegen „Identitätslinke“ inszeniert –legen mit ihrem Antifa-Report ein Werk vor, das sich nicht als Analyse, sondern als Anklage versteht – und als solche nicht etwa gegen eine spezifische Tat, sondern gegen ein Milieu, eine Haltung, eine Sprache. Der Text ist kein journalistischer Beitrag zur politischen Aufklärung, sondern ein publizistischer Beitrag zur Formierung eines Feindbilds. In ihm geht es nicht um die Wirklichkeit, sondern um deren ideologische Umdeutung zur moralischen Katastrophe.
Antifa als Totem
„Antifa“ –
im Text nicht begriffen, sondern verabsolutiert – dient als Signifikant für
alles, was den Autoren verdächtig erscheint: NGOs, Parteien, Medien,
Förderprogramme, Barrikaden. Alles ist Antifa. Alles ist Gefahr. Diese
Konstruktion ist kein analytischer Zugriff, sondern ein Versuch, aus Disparatem
ein Monstrum zu formen. Die Antifa wird nicht als heterogene Bewegung
betrachtet, sondern als einheitliche, schleichende Infiltration des
demokratischen Gemeinwesens – ein Totem des Totalitarismus, gefertigt aus
Einzelvorfällen, Polizeiberichten und politischen Zitatbausteinen.
Die
Argumentationslinie folgt dabei einem ritualisierten Schema:
Antifa = Linksextremismus = Gewalt = staatlich finanziert.
Dazwischen passt kein Zweifel. Differenzierungen – etwa zwischen
antifaschistischer Grundhaltung und militanten Randgruppen – sind im Text nicht
vorgesehen. Kritik an Gewalt von links? Unbedingt nötig. Aber hier geht es um
mehr: Die Gewalt dient nicht als Gegenstand politischer Auseinandersetzung,
sondern als Beweis einer umfassenden Komplizenschaft zwischen Staat, Medien und
Subversion.
Der Bericht
behauptet: Während Trump in den USA die Antifa als Terrororganisation verfolgt,
subventioniert Deutschland dieselbe Struktur. Die Implikation: Der deutsche
Staat finanziert seinen eigenen Untergang. So wird ein Feindbild konstruiert,
das nicht an der Realität gemessen wird, sondern an der rhetorischen
Wirksamkeit. Programme wie Demokratie leben werden nicht im Sinne ihrer
konkreten Förderung demokratischer Bildung diskutiert, sondern zur Chiffre
erklärt – für Unterwanderung, Umverteilung und letztlich: Vernichtung des
politischen Gegners.
Die
behauptete Zahl „11.200 gewaltbereite Linksextremisten“ dient als Fanal. Doch
was bedeutet „gewaltbereit“? Welche Kriterien? Welche Quellen? Welche
Entwicklung im Vergleich zu rechter Gewalt, die Jahr für Jahr weit mehr Opfer
fordert? Der Text fragt nicht, er zählt – und hofft, dass die Wiederholung der
Zahl ihre Notwendigkeit ersetzt.
Auch die
Porträts von Politikern – Klingbeil, Esken, Reichinnek – folgen dieser Logik.
Nicht ihre Argumente oder Handlungen zählen, sondern die Nähe zum Begriff
„Antifa“. Die Autoren arbeiten mit der Methode des ideologischen
Fingerabdrucks: Wer im Verdacht steht, muss nicht mehr erklären. Er hat sich
bereits disqualifiziert. Es genügt die Assoziation.
Dass
Klingbeil seine Jugend als Juso beschreibt, dass Esken den Satz „Antifa,
selbstverständlich“ als demokratische Selbstvergewisserung meint, wird nicht
thematisiert. Es reicht der Begriff. Er wird isoliert, aufgeladen und zum
Schuldeingeständnis umgedeutet.
Was bleibt,
ist Gesinnungsprüfung statt politischer Analyse.
Zentraler
dramaturgischer Punkt: das Attentat auf Charlie Kirk. Der Täter, ein
22-jähriger, hinterlässt die Worte „Bella Ciao“ – und der Text von NIUS liest
darin nicht ein individuelles Motiv, sondern den Beweis eines
antifaschistischen Terrorismus. Der Kontext: irrelevant. Die psychische
Verfassung des Täters: nebensächlich. Dass Bella Ciao ein Partisanenlied
ist, gesungen von unzähligen friedlichen Demonstranten weltweit, zählt nicht –
denn hier dient es der Schuldzuweisung.
Der Mord
wird – entgegen aller Ungewissheiten – in das antifaschistische Milieu
eingeschrieben, um daraus ein Menetekel zu machen. Hier wird nicht erklärt,
sondern dramatisiert. Der Feind steht fest, lange vor der Ermittlung.
Symbolik statt Wirklichkeit
Der Text
lebt von Bildern: brennende Autos, stürzende Strommasten, rauchende
Kabelschächte. Alles real – und doch alles symbolisch. Denn der konkrete Anlass
ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass das Bild zur Erzählung passt: Antifa
als Gewaltkomplex, der sich tief ins demokratische Fleisch gefressen hat. Ob es
sich um Straftaten Einzelner oder systematische Strategien handelt –
gleichgültig. Der Kontext stört die Erzählung.
Dass Kritik
an linken Gewalttaten legitim und notwendig ist, versteht sich von selbst. Doch
sie wird hier nicht geübt, sondern verwertet. Das Ziel: ein Klima der Angst –
nicht vor der Gewalt, sondern vor der politischen Opposition insgesamt.
Die These,
es gäbe eine „verfilzte“ Verbindung zwischen Antifa, NGOs und
öffentlich-rechtlichen Medien, ist das Rückgrat des Berichts. ARD, WDR, das
Deutsche Institut für Menschenrechte – sie alle erscheinen als Teil eines
großen Plans. Dass Journalisten mit Recherchegruppen sprechen? In NIUS kein
legitimer Vorgang, sondern der Beweis für eine ideologische Kumpanei.
Hier kippt
der Bericht vollends in verschwörungsideologische Rhetorik: Der Staat ist nicht
mehr Kontrollinstanz, sondern Komplize. Der Journalismus kein kritisches
Korrektiv, sondern Tarnung. Und die Zivilgesellschaft? Eine Fassade für den
Aufstand.
Dass solche
Zuschreibungen nicht nur analytisch dürftig, sondern politisch gefährlich sind,
liegt auf der Hand. Wer NGOs, Medien und Politiker in einem Atemzug mit
„terroristischer Organisation“ nennt, arbeitet nicht an der Demokratie – er
schärft das Beil, das sie spalten soll.
Der Antifa-Report
gibt sich journalistisch – ist aber politisch. Er schreibt nicht über, sondern
gegen. Der Text will keine Realität abbilden, sondern eine schaffen. Er
stilisiert sich zur Offenbarung und agiert doch wie ein Traktat: Antifa ist
überall – und du bist ihr nächstes Opfer.
Das ist
keine Polemik mit Erkenntnisinteresse, sondern eine Form von Propaganda, die
nur ein Ziel kennt: Eskalation. Wer fragt, hat schon verloren. Wer
differenziert, wird verdächtig. Wer widerspricht, ist Teil des Problems.
Der große
Antifa-Report von NIUS ist kein Dokument der Aufklärung, sondern eine Zutat
zur Regression. Er übersetzt politische Unsicherheit in moralische Klarheit,
indem er ein Monstrum formt, das alle Widersprüche der Gegenwart in sich
vereint. Die Antifa steht hier nicht für eine Bewegung, sondern für eine
Projektionsfläche – gegen Vielfalt, gegen Ambivalenz, gegen Demokratie als
Streit.
Was bleibt,
ist kein Bericht. Es ist ein Bedürfnis. Und zwar jenes, aus komplexer Realität
ein simples Weltbild zu machen – mit klaren Freunden, klaren Feinden und einem
Auftrag: Alles Linke muss weg.
Das nennt
sich dann nicht mehr Journalismus. Das ist Agenda in redaktioneller Tarnung.