Roger Waters am 13. September 2025 per Video am Brandenburger Tor gegen die Welt besonders gegen "das unsagbare Verbrechen des Zionismus"

 TL;DR: Roger Waters nennt Zionismus am 13.9. per Video beim BSW am Brandenburger Tor  ein „unsagbares Verbrechen“ und erklärt Demokratie zum „Theater“. Er beklagt westliche Doppelmoral – schweigt aber zu russischem Imperialismus. Was als Protest beginnt, endet als Pose mit fataler Schlagseite. 

 



Die BSW-Kundgebung am Brandenburger Tor wird zur Bühne eines globalen Anklägers – doch seine Botschaft wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt.

Die Bühne ist digital, das Pathos live: Roger Waters, Ex-Pink-Floyd-Bassist, meldet sich per Video zur BSW-Kundgebung am Brandenburger Tor. „So, here we are. 13th of September, Brandenburg Gate. Very happy to be here.“ Doch was folgt, ist weniger ein musikalischer Gruß als ein ideologisches Traktat – und eine Lektion darin, wie politische Leidenschaft zur intellektuellen Falle werden kann.

Waters redet viel. Über die Ukraine, über Gaza, über England, Kolonialismus, Churchill, Elbit-Systems, Trump, Macron, Netanjahu – und einen „Genozid“, von dem er meint, der Westen decke ihn, weil er sich darin selbst erkenne. Ein Auftritt, der Applaus erntet. Und Fragen aufwirft.

Das Verbrechen namens Zionismus

Waters spricht vom „unspeakable crime that Israel is committing… The unspeakable crime is Zionism.“ Keine Differenzierung, keine historische Einbettung, keine Auseinandersetzung mit der Shoah als Ursprung israelischer Staatsgründung. Nur: Zionismus = Verbrechen. Punkt.

Wer so argumentiert, ersetzt Analyse durch Gleichung. Dass Zionismus auch ein Emanzipationsprojekt war, eine Antwort auf Pogrom, später Vernichtung und Exil, fällt unter den Tisch. In dieser Logik ist Israel nicht Ergebnis von Geschichte, sondern Täter im Dienst westlicher Scheinheiligkeit. Die Palästinenser? Stellvertreter eines moralisch reinen „Widerstands“, der keiner Prüfung standhalten muss.

Das Resultat ist weniger Kritik an israelischer Politik als die rhetorische Auslöschung ihres Fundaments. Ein Satz wie „Zionismus ist das unsagbare Verbrechen“ ist nicht etwa zu radikal – sondern zu leer. Er kritisiert nicht, er verurteilt. Wer so spricht, glaubt nicht an Argumente, sondern an Offenbarungen.

Die Ukraine? Ein „gespaltenes Land“, das 2014 von einem „Maidan-Putsch“ erschüttert wurde. Die Lösung? Referenden in Donetsk, Lugansk, Saporischschja – „Power to the people“. Dass Russland dabei Waffen, Truppen und Propaganda liefert, bleibt ungesagt. Ebenso die Krimtataren, die keine Referenden zu Gesicht bekamen, sondern Repression.

Es ist das alte Spiel der selektiven Empathie: Die Ukraine wird als Werkzeug westlicher Expansion gezeichnet, Russland hingegen als schweigender Statist. Keine Silbe zu Butscha, Mariupol, russischen Bomben auf Wohnblocks. Dafür: „Let the local people decide.“

Wenn Selbstbestimmung immer nur da gilt, wo sie mit russischer Geopolitik kompatibel ist, ist sie keine universelle Kategorie, sondern ein Vorwand. Wer sich dabei auf „die Menschen vor Ort“ beruft, betreibt nicht Aufklärung, sondern deren Simulation.

Waters liebt das Bild des kleinen, aufrechten Menschen gegen die große Maschine. „We are many, you are few“, ruft er. Und: „We are not lemmings.“ Das ist verständlich – und gefährlich.

Denn das „einfache Volk“, das „nur Liebe und Wahrheit“ will, ist keine politische Kategorie, sondern eine romantische. Wer es zum moralischen Kompass erklärt, ignoriert seine Widersprüche: Dass es nicht selten gleichzeitig Putin wählt, Trump verehrt oder sich als Opfer westlicher Impfkampagnen geriert. Die Idee, dass moralische Reinheit proportional zur Ohnmacht wächst, ist nicht revolutionär – sie ist naiv.

Geschichtsbild als Theaterkulisse

„All that shit – the pretense of liberty, freedom, democracy – it's all just theater, darling.“ Waters liebt den großen Abgesang. Die Aufklärung? Theater. Die Demokratie? Vorwand. Die Geschichte? Immer von den Falschen geschrieben.

Doch wenn alles Täuschung ist, bleibt nichts zu verteidigen. Wer die westliche Demokratie als bloße Fassade denunziert, während er auf einer deutschen Bühne ungehindert genau das sagt, was angeblich niemand mehr sagen darf, führt vor allem eines vor: die Unredlichkeit des eigenen Arguments.

Kritik wird zur Pose, Meinungsfreiheit zum Vorwand für Selbstviktimisierung. Die Konsequenz? Kein besseres Verständnis von Machtverhältnissen – sondern die bequeme Gewissheit, dass alle lügen, nur man selbst nicht.

Gegen Ende wird es dramatisch. Waters spricht von einem „child at the crossroads“, das „nicht in den Graben gebaggert werden darf, um Platz zu schaffen für Trumps Mar-a-Lago-Gaza“. Ein starkes Bild – vielleicht zu stark.

Denn der Übergang von moralischer Dringlichkeit zu messianischer Weltrettung ist fließend. Die Kind-Metapher, das Pathos der Armen gegen die Barbaren – all das erinnert mehr an ein apokalyptisches Theaterstück als an politische Analyse. Emotion verdrängt Differenzierung. Was bleibt, ist ein Endzeitbild, in dem sich das Publikum wahlweise erlöst oder umzingelt fühlt.

Roger Waters’ Rede ist kein Plädoyer für Frieden, sondern ein Manifest der Vereinfachung. Ihre Grundstruktur: Der Westen ist der Täter, Israel das Böse, das Volk unschuldig, die Wahrheit verborgen. Wer so spricht, ersetzt Geschichte durch Mythos und Politik durch Moralismus.

Das Problem ist nicht, dass Waters kritisiert – sondern wie. Wer sich zum Sprecher des „einfachen Volkes“ erhebt, aber die Komplexität von Konflikten ignoriert, wer Israel dämonisiert, aber Russland exkulpiert, wer Zionismus kriminalisiert, aber Hamas nicht erwähnt – der kritisiert nicht die Macht, sondern reproduziert sie auf andere Weise.

Der politische Skandal liegt nicht im Gesagten allein, sondern im Verschwiegenen. In dem, was fehlt: Ambivalenz, Kontext, Widerspruch. Es bleibt ein Echo, laut und entschlossen – aber hohl.

Ein Künstler hat gesprochen. Eine Menge hat applaudiert. Und irgendwo dazwischen ist die Erkenntnis verloren gegangen, dass Wahrheit mehr ist als ein Slogan – und Widerstand mehr braucht als ein Megafon.

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