Linksjugend Frankfurt: Ein antisemitischer Ausfall, ein halbes Geständnis, ein ganzer Offenbarungseid.
TL;DR: „Wir müssen leider enttäuschen: Der Rauswurf fand nicht in der Luft statt“ – schrieb die Linksjugend Frankfurt über 52 jüdische Jugendliche. 20 Tage online, gelöscht erst nach öffentlichem Druck. Der Skandal ist nicht der Tweet. Es ist das Schweigen danach.
Von einer
Organisation, die sich „links“ nennt, darf man erwarten, dass sie – wenigstens
reflexhaft – erkennt, wann die Grenze zwischen Zynismus und Vernichtungsfantasie
überschritten ist. Wenn unter dem Label „Linksjugend Frankfurt“ – mit Logo und
Parteibezug – der Tweet erscheint:
„Wir müssen
leider enttäuschen: Der Rauswurf fand nicht statt während das Flugzeug in der
Luft war.“
…dann
handelt es sich nicht um einen geschmacklosen Witz, sondern um eine implizite
Todessehnsucht gegenüber jüdischen Jugendlichen. 52 an der Zahl. Franzosen.
Juden. Ziel eines Spotts, der nicht nur den Kontext der Shoah entwürdigt,
sondern genau mit jener perfiden „Ironie“ operiert, mit der Antisemiten aller
Couleur ihre Unmenschlichkeit tarnen.
Die
Linksjugend Frankfurt ließ diesen Satz 20 Tage lang öffentlich stehen.
Nicht, weil er übersehen wurde – sondern weil er offenbar niemandem auffiel.
Oder schlimmer: weil er vielen egal war.
Dann: massive
öffentliche Kritik. Man merkt: Das „Bedauern“ in der Luft riecht streng.
Die Basisgruppe meldet sich – nicht aus Einsicht, sondern aus Notwehr. Die
Posts seien „verletzend“, man habe sie „gelöscht“, aber nicht, um „deren
Existenz zu vertuschen“. Welch schöne Formulierung. Die Wirklichkeit soll nicht
verschwinden, sondern bloß nicht weiter stören.
Am 18.
August dann die Nachbesserung: „Antisemitisch“ sei das gewesen,
„menschenverachtend“. Man distanziere sich. Die Autorin: eine „Einzelperson“,
suspendiert, entfernt, nun nicht mehr Mitglied. Sie war, wie es heißt, „nie
Teil der Partei Die Linke“ – als wolle man der Öffentlichkeit sagen: Die Idee
war antisemitisch, aber nicht parteigebunden.
Und so
klingt das wie eine Mischung aus Pflichtschuldigkeit und PR-Text:
„Als
linksjugend ['solid] treten wir fest entschlossen gegen jeden Antisemitismus
und für den Schutz jüdischen Lebens ein.“
Im Ernst? Entschlossen?
Gegen jeden Antisemitismus?
Und doch
brauchte es fast drei Wochen und einen öffentlichen Aufschrei, um den
Satz
„Wir müssen
leider enttäuschen: Der Rauswurf fand nicht statt während das Flugzeug in der
Luft war“
– als Kommentar zu einer Meldung über 52 aus einem Flugzeug geworfene jüdische
Jugendliche –
zu löschen.
Ein
Euphemismus für: „zu Tode gestürzt“.
Antisemitismus
zeigt sich nicht nur in Glatzen und Parolen. Sondern auch im linksakademischen
Sprech, der Verachtung mit Haltung verwechselt, und im süffisanten
Kommentar, der Mordfantasie als Gesellschaftskritik verkauft.
Wer jüdisches Leben schützen will, darf nicht bedauern, dass es überlebt hat.
Und wer sich antifaschistisch nennt, muss erkennen, wann der Faschismus in
der eigenen Sprache wohnt.
Die
Linksjugend Frankfurt hat gezeigt, dass es ihr an beidem fehlt: politischem
Bewusstsein und moralischem Kompass. Ihre Entschuldigung ist kein
Eingeständnis – sondern ein Verwaltungsakt im Reputationsmanagement.
Die Frage
ist nicht, ob sich jemand bei einem Tweet „vergriffen“ hat.
Die Frage ist:
Wie viele
haben ihn gesehen – und nichts gesagt?
Und zuletzt:
Ob die Sprecher*innenrunde auch künftig bereit ist, „entschlossen gegen jeden
Antisemitismus“ einzutreten – sofern es
vorher nicht regnet, die Server nicht streiken und niemand auf die Idee kommt,
einen zweiten Tweet zu schreiben.