Der van Aken spricht Klartext – die junge Welt im Grigutsch-Artikel „Freund oder Feind“ lieber nicht

TL;DR: Van Aken sagt im ARD-Sommerinterview klar: „Die Hamas ist eine faschistische Organisation.“ Die junge Welt lässt das im Grigutsch-Artikel weg – und verschiebt Kontext, bis Klarheit wie Lavieren wirkt. Kritik wird nicht widerlegt, sondern entkernt. 


Zur politischen Reduktion im Grigutsch junge Welt Artikel „Freund oder Feind“ (jungen Welt, 19.08.2025)

Max Grigutsch tut in seinem am 19. August 2025 erschienenen Bericht zum ARD-Sommerinterview mit Jan van Aken in der jungen Welt das, was in Teilen der sektiererischen Linken noch immer für Analyse gehalten wird: Er zitiert. Selektiv. Reduziert. Nicht auf Erkenntnis hin, sondern zur Absicherung der eigenen Erzählung. In seiner Darstellung bleibt ausgerechnet das zentrale Moment unerwähnt: Van Akens klare Verurteilung der Hamas als „faschistische Organisation“, verbunden mit dem Satz: „Hamas kann niemals Partner sein.“ Dass ein Bezirksverband der Linken „so was gemacht“ habe – gemeint ist die Einladung Hamas-naher Gruppen zu einem Sommerfest –, finde er falsch, so van Aken. Und weiter: „Wir haben das auch klipp und klar gesagt. Das geht nicht.“

Diese Passage ist im öffentlich einsehbaren Interview eindeutig belegt – im Artikel aber nicht enthalten. Stattdessen wird van Akens Position durch Auslassung und Kontextverschiebung abgeschwächt. Grigutsch schreibt: „Als wir das mitbekommen haben, haben wir sofort gesagt: Das geht nicht“, sagte van Aken am Sonntag. Auf jW-Nachfrage am Montag habe er „betont“, es gebe „natürlich Gespräche“.

Doch van Aken sprach bereits am Sonntag, im Interview, von Gesprächen mit dem Bezirksverband. Die Verlagerung in den Montag, kombiniert mit der Konstruktion einer Nachfrage, legt nahe, er habe erst auf äußeren Druck reagiert. So entsteht der Eindruck eines Parteichefs, der zaudert – nicht eines, der führt. Der politische Gehalt seiner Aussagen wird nicht bestritten – aber entscheidend verschoben.

Dass ein Vorsitzender der Linken mit solcher Deutlichkeit spricht, mag überraschen. Dass die junge Welt daran vorbeiredigiert, weniger. Es ist Methode, nicht Ausnahme: Was nicht ins Bild passt, wird entkernt, entkontextualisiert oder weggelassen. Die Differenz zwischen Interview und Artikel ist dafür exemplarisch. Dass in Neukölln eine Grenze überschritten wurde, wird notiert, aber nicht durchdacht. Die Unterscheidung zwischen Solidarität und Komplizenschaft bleibt unausgesprochen – obwohl sie den Konflikt beschreibt, um den es geht.

Stattdessen folgt ein Reigen der Anklagen. Rashad Alhindi spricht von „abscheulicher Kriminalisierung“, Bafta Sarbo nennt van Akens Haltung „absurd“, „rassistisch“, „unwürdig“, Ramsis Kilani erkennt in der Kritik einen Versuch, „den linken Parteiflügel zu disziplinieren“. Diese Positionen werden zitiert – aber nicht befragt. Ihre Voraussetzungen, ihr Verhältnis zu Organisation, Öffentlichkeit und Realität: keine Zeile dazu.

Dabei wäre genau das die eigentliche Frage: Wie geht linke Politik mit jenen Teilen ihrer Basis um, die aus Solidarität mit Palästina ein Einfallstor für Kräfte öffnen, deren politische Praxis mit linker Emanzipation nicht einmal mehr konfligiert – sondern bricht? Van Aken beantwortet sie: mit Abgrenzung, Verfahren, Gesprächen. Ohne Pathos, ohne Tribunengestus.

Grigutschs Text dagegen verwechselt Aggregat mit Analyse. Er paraphrasiert Reaktionen, statt Widerspruch zu organisieren. So reiht er sich ein in jene publizistische Praxis, die Kritik an der eigenen Kultur für Abweichung hält – und Differenz für Gefahr.

Van Aken verrät nichts. Er verteidigt. Nicht den Staat, nicht den Verfassungsschutz, sondern die Fähigkeit, zwischen Widerstand und Reaktion zu unterscheiden. Dass er dabei weder ins moralische Übermaß noch ins parteitaktische Ausweichen kippt, ist kein Spagat, sondern Versuch: linke Politik jenseits des identitären Reflexes möglich zu machen.

Man muss ihn nicht feiern. Aber man sollte ihn vollständig zitieren.

 

 


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