Solidarität als Ablasshandel – über ein Gespräch von Ulrike Eifler mit Ramsis ‚Ramsy‘ Kilani, das sich selbst den Teppich unter den Füßen wegzieht
TL;DR: Eifler & Kilani führen in "Die Linke muss an der Seite derPalästina-Solidarität stehen" kein Gespräch, sondern inszenieren ein Glaubensbekenntnis. Kritik ersetzt durch Liturgie, Differenzierung durch Dogma. Was fehlt, ist nicht Solidarität – sondern Redlichkeit.
Ulrike
Eifler, Mitglied im Parteivorstand der Linken, und der aus selbiger
ausgeschlossene Ramsis ‚Ramsy‘ Kilani vollführen mit ‚Die Linke muss an der
Seite der Palästina-Solidarität stehen‘ keinem Interview, sondern eine
liturgische Wiederaufführung
Es ist ein alter Reflex der
autoritären Linken innerhalb der Linken: Wenn die Argumente fehlen, wird das
Ritual größer. So wird aus dem Gespräch zwischen Ulrike Eifler,
Parteivorständlerin, und Ramsis „Ramsy“ Kilani, Parteiausgeschlossener, kein
Interview, sondern eine liturgische Wiederaufführung. Der Titel – „Die Linkemuss an der Seite der Palästina-Solidarität stehen“ – wirkt nicht wie eine
These, sondern wie das Credo nach der Kollekte. Gesprochen wird nicht zur
Klärung, sondern zum Bekennen. Wie im Messbuch: Man steht auf, weil es dran
ist.
Wer sich Klarheit erhofft,
erhält Verkündung. Wer Differenzierung sucht, findet litaneiartige
Wiederholung. Und wer wissen will, warum eine Partei jemanden ausschließt, muss
sich mit dem Gegenentwurf zur Argumentation begnügen: einer Anklage, die sich
als Verteidigung ausgibt.
sagt Kilani.
Wer so spricht, schuldet Nachweise – bringt aber keine. Dabei liegt das
Material offen da. In sozialen Medien denkt Kilani laut, „es wird mehr als
,einen Mord an Israelis’ brauchen“. Er nennt den Terror der Hamas den
„heldenhaften, selbstaufopfernden“ Versuch, die „letzte Linie der
Selbstverteidigung Gazas“ zu halten. Aus dem 7. Oktober macht er keinen Schock,
sondern ein Beispiel. Und aus seiner antizionistischen Programmatik einen
Beweis von „Antirassismus“. Das Existenzrecht Israels wird, wie immer bei
Leuten, die gern von „Dekolonisierung“ sprechen, zum Kolonialrelikt erklärt.
Dass er einer
Gruppe angehört, die Hamas-Massaker als „Ausbruch aus dem Freiluftgefängnis“
adelt, verschweigt er nicht – er verklärt es. Israel, heißt es bei „Sozialismus
von unten“, müsse „im Zuge eines antiimperialistischen Aufstands in der
gesamten Region zerstört werden“. Im Interview verteidigt Kilani das unter dem
Deckmantel des Völkerrechts, ohne je zur Gewalt an Zivilisten Stellung zu
nehmen.
Ulrike
Eifler fragt nicht nach. Warum auch? Sie hat längst unterschrieben: „Neinzum Ausschluss!“, der Parteiausschluss sei eine „Einschüchterung“. Für wen,
ist klar. Für Eifler ist das kein Gespräch, sondern Gefolgschaft. Dass sie dem
Leser verschweigt, dass sie Mitaunterzeichnerin jenes Aufrufs ist –
bezeichnend. Vor allem auf einer Plattform, die sich etos nennt, vom
griechischen Wort für Charakter.
Sie fragt
nicht. Sie nickt. Oder besser: Sie lässt nicken. Es ist nicht nur ein
Auslassen, es ist ein Mitgehen., Kumpanei Dass die schwerwiegenden Vorwürfe –
Relativierung von Massakern, ideologische Nähe zum antisemitischen Islamismus,Ablehnung des Existenzrechts Israels – nicht einmal als Problem benannt werden,
ist kein Zufall. Es ist Methode. Und sie hat einen Preis: Die moralische
Autorität des Sprechers beruht nicht auf Distanz zum Terror, sondern auf seiner
semantischen Umdeutung.
Eifler führt nicht. Sie verstärkt. Sie fragt nicht. Sie sekundiert. Ihre Gesprächsführung ist nicht nur parteiisch, sie ist parodistisch in ihrer devoten Eindeutigkeit. Die Schlüsselfrage des gesamten Verfahrens – nämlich ob die Kritik an Israel antisemitische Narrative bedient – wird schlicht durch die Wortwahl übersprungen. Wer „Zionismus“ sagt, ohne zu definieren, wer „Genozid“ ruft, ohne rechtlich zu prüfen, betreibt nicht Analyse, sondern semantischen Freispruch.
Das Argument ist alt, und es wird nicht besser, je öfter es wiederholt wird:
Ich kann nicht antisemitisch sein – einige meiner besten Freunde sind Juden.
Das sagten auch schon Wagner-Leser, RAF-Versteher und Kollegah-Verteidiger.
Man möchte, wäre es nicht so oft gehört, nicht auch noch darüber schreiben
müssen. Aber es steht da. Unwidersprochen. Unkommentiert.
Und weil die Interviewerin ihre kritische Funktion am Eingang des Gesprächs
abgegeben hat, darf der Befragte die Grenze zwischen politischer Kritik und
ideologischer Verbrämung verschieben, wie es ihm passt.
Wo von „Strukturen“ die Rede ist, geht es selten um Verantwortung Einzelner.
Und so verschwinden die Hamas, deren Terror und das Grauen des 7. Oktobers, in
einem Meer aus „Zusammenhängen“.
„Ich strebe als Sozialist in jeglicherHinsicht gewaltlose Verhältnisse an.“
Das klingt gut. Wer wollte das
nicht. Nur dass es in diesem Kontext keine Frage der Sehnsucht ist, sondern der
Klarheit: Wird der Terror der Hamas verurteilt – ja oder nein? Die Frage wird
nicht gestellt, also wird sie nicht beantwortet. Die Absenz ist nicht zufällig,
sie ist funktional. Was nicht benannt wird, muss nicht gerechtfertigt werden.
Auch die Berufung – ein
zentrales Thema im Gespräch – wird als Bühne der Instrumentalisierung genutzt.
Dass ein Rechtsmittel neuen Vorwürfen begegnen kann, ist kein Bruch, sondern
Alltag juristischer Praxis. Doch im Gespräch wird daraus eine Intrige. Der Text
behauptet Willkür, ohne deren Gegenteil zu zeigen. Die eigene politische
Unschuld wird nicht bewiesen, sondern behauptet – als Kontrast zur
vermeintlichen „Staatsräson“, jener Gummiformel, die hier als Allzweckwaffe
gegen die Meinungsfreiheit gehandelt wird. Der Vorwurf: Die Linke schweigt, wo
sie schreien müsste. Dass man gleichzeitig schreit, wo man besser differenziert
hätte – fällt niemandem auf.
„Die Linke muss an der Seite der Palästina-Bewegungstehen.“
Was auf den
ersten Blick wie moralischer Ernst klingt, ist in Wahrheit eine strategische
Umkehrung: Die Unterstützung einer Bewegung wird nicht begründet, sondern
vorausgesetzt. Und wer nicht mitmarschiert, steht im Verdacht, Teil des
Problems zu sein. Was fehlt: die Frage, welche Palästina-Bewegung gemeint ist.
Die demokratische? Die islamistische? Die gewaltfreie? Oder jene, die Massaker
als „Widerstand“ adelt?
Differenzierung
hätte die Debatte geöffnet – doch das Interview zieht es vor, sie zu meiden.
Was nicht überrascht: Weder Eifler noch Kilani sind für feine Unterschiede
bekannt. Als in Stuttgart Palästinenser*innen gegen die Hamas demonstrierten,
für „Frieden und Freiheit für Gaza“, blieb es auf seiten deer Partei Die Linke still.
Keine Solidaritätsadresse, kein Grußwort, nicht einmal ein Retweet. Auch nicht
von Luigi Pantisano, Bundestagsabgeordneter der Linken. Und nicht von BerndRiexinger, seinem Mentor und verblichenen Hoffnungsträger einer Linken, die mal
den Anspruch hatte, internationalistisch zu sein – nicht sektiererisch.
Wer in Gaza
nicht nur auf Seiten der Täter steheht, sondern auch der derjenigen, die unter
ihnen leiden, hätte dort stehen müssen. Nicht gegen Israel. Sondern gegen die Hamas.
Gegen den Terror. Für jene, die zwischen den Fronten verrecken. Wer das nicht
kann, wie Eifler und Kilani sollte aufhören, Solidarität zu sagen – und
anfangen, wenigstens zu schweigen.
Die Struktur des Gesprächs ist
schlüssig, ja fast lehrbuchartig. Doch der Inhalt bleibt selektiv, das
Gedankengebäude wackelig. Wer sich gegen die „Doppelmoral“ in der Partei
empört, sollte aufpassen, dass er nicht selbst in deren Spiegelbild starrt.
Denn während Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert werden, bleibt die
Bewaffnung der Hamas ein politisches Phantom. Während innerparteiliche
Repression beklagt wird, wird parteischädigendes Verhalten zur Gewissensfrage
umdeklariert. Und während von Solidarität die Rede ist, bleibt unklar, wem sie
gilt – den Opfern von Gewalt oder jenen, die sie relativieren.
Die Schwäche dieses Interviews
liegt nicht in seiner Radikalität. Sondern in seiner Abwesenheit von
intellektueller Redlichkeit. Es sucht nicht das Gespräch, sondern die
Gefolgschaft. Und verwechselt dabei Loyalität mit linker Identität.
Wer nichts sagen will, soll es wenigstens polemisch tun. Aber wer so spricht wie Eifler und Kilani, will gar nichts mehr wissen – nur noch glauben. Dass ihre Partei diesen Glauben nicht mehr teilt, ist weniger Ausschlussgrund als überfällige Selbstbehauptung.
