Die Rote Fahne im Scherbenhaufen
TL;DR: Seit dem 7. Oktober 2023 ist klar: Die autoritäre deutsche Linke hat im Antisemitismus ihr ideologisches Refugium gefunden. Wer Terror als „Widerstand“ verklärt, verrät die Opfer – und sich selbst. Wer schweigt, wenn Juden ermordet werden, disqualifiziert sich politisch wie moralisch.
Seit dem 7. Oktober 2023 ist klar: Der autoritären deutschen Linken – getrieben vom
Geist Stalins, Maos oder Trotzkis – geht es nicht um Emanzipation, sondern um
einen ideologisch verhärteten Antiimperialismus, der Antisemitismus verharmlost
und Gewalt verklärt.
Am 7. Oktober 2023 tötete die Hamas über 1.200 Menschen, brannte,
vergewaltigte, verstümmelte. Bei einem gezielt gegen Zivilisten gerichtetes
Antizionistische Massaker, mit dem der Krieg um Gaza begann, was autoritäre
Linke als geübte Geschischtsrevisonisten gezielt verschweigen.
Was folgte, war ein Test – nicht nur für Demokratien, sondern für
Ideologien. Die deutsche autoritäre Linke ist durchgefallen.
Sie hätte reagieren können mit Empathie. Sie entschied sich für Erklärung.
Während die Bilder aus Kfar Aza und Be’eri noch über die Bildschirme liefen,
wurde nicht getrauert, sondern gedeutet. In einem Reflex, der sich nicht als
Menschlichkeit tarnen darf, sondern als Analyse bezeichnet wurde. Die Täter:
nicht Terroristen, sondern „Widerstandskämpfer“. Die Opfer: nicht Mütter,
Väter, Kinder – sondern "Kolonisatoren". Die Reaktion: ein „Ja,
aber“, das mehr über den Sprecher verriet als über das Geschehen.
Es war nicht das erste Mal. Aber es war der Moment, in dem das sedimentierte
Erbe des autoritären Sozialismus – von Stalin bis Zora – seine ideologische
Endkonsequenz offenbarte: Antisemitismus als Identitätsanker in Zeiten
moralischer und politischer Orientierungslosigkeit.
Antisemitismus als Traditionslinie
Solidarität mit den Unterdrückten? Nur wenn sie ins Weltbild passen.
Humanismus? Nur, wenn er sich gegen den Westen richtet. „Nie wieder“, heißt es
auf linken Bannern. Doch im Ernstfall heißt es: „Nicht so gemeint“. Statt
Trauer: Theorie. Statt Analyse: Apologie. Statt Urteil: Symmetrie.
Die Linke hätte – wie sie es bei jedem rechtsextremen Anschlag tut –
klarstellen können: Mord ist Mord, Terror ist Terror. Doch der Schock über das
Massaker wurde schnell ersetzt durch die alte semantische Routine: „komplexe
Verhältnisse“, „militärische Eskalation“, „Ursache und Wirkung“. Eine
Beweislastumkehr, die nicht aufklärt, sondern rechtfertigt. Und die Empathie
verweigert – mit Absicht.
Die Reflexe kamen nicht aus dem Nichts. Wer in den Archiven des autoritären
Sozialismus blättert, stößt auf eine lange Kontinuität: von Dimitroffs
Kapitalismus-Determinismus über Stalins „wurzellose Kosmopoliten“ bis zu
Meinhofs Verteidigung des Holocausts als antikapitalistisches Symbol.
Der linke Antisemitismus ist keine betriebliche Fehlzündung, sondern
Struktur. Ein ideologisches Sediment, das – durchsetzt mit
Verschwörungstheorie, Weltdeutungswut und moralischem Narzissmus – seit jeher
darauf drängt, dem eigenen Gefühl der Bedeutungslosigkeit ein Objekt
zuzuschreiben: „die Jüd*innen“, später: „Israel“, heute: „der Zionismus“.
Die autoritäre Linke in Deutschland hat Geschichte stets benutzt, aber
selten verstanden. Der Schwur von Buchenwald wird zitiert, aber nicht
reflektiert. Die Shoah wird in den Kanon generalisierter „Kriegsverbrechen“
einsortiert – nicht geleugnet, aber nivelliert. Auschwitz erscheint, wenn
überhaupt, als industrielle Metapher. Nicht als singulärer Zivilisationsbruch,
sondern als historische Vorlage für Israels angeblichen Umgang mit den
Palästinenser*innen.
Anstelle des Andenkens tritt das Sowjetdenkmal. Der Friedhof
wird zur Bühne für „Ruhm und Ehre“. Die jüdischen Toten werden umgedichtet zu
„Widerstandskämpfern“, ihre Identität postum enteignet – im Namen eines
„antifaschistischen“ Sozialismus, der immer wusste, wie man Helden produziert
und Opfer verschwinden lässt.
Die Unvereinbarkeit von autoritär und emanzipatorisch
Wo Terror zum „Widerstand“ wird, wird Mord zur Methode.Der Anschlagsversuch auf das Jüdische Gemeindehaus Berlin am 9. November 1969, die Ermordung von Geiseln im Münchner Olympia-Attentat 1972, die Entführung von Air-France-Flugzeugen nach Entebbe 1976, inclusive der Selektion von jüdischen und israelischen Geiseln – alle Teil einer „antikolonialen“ Rhetorik, die das Opfer stets auf der falschen Seite sucht.
Wenn Gruppen wie Young Struggle, Zora und Teile der Partei Die Linke heute den 7. Oktober
rechtfertigen, dann tun sie das nicht trotz, sondern wegen der Gewalt. Ihre
Kritik an der Hamas beschränkt sich auf deren „mangelndes Interesse“ an
Feminismus – nicht auf die Tatsache, dass sie Antifeministisch sind und homosexuelle
Männer an Baukränen aufhängt.
Mit dieser Haltung hat sich die autoritäre Linke aus der gesellschaftlichen
Mitte verabschiedet – nicht durch äußeren Druck, sondern aus eigenem Antrieb.
Wer Israel dämonisiert, aber den Islamismus schweigend duldet, hat den
politischen Kompass verloren. Wer in antisemitischen Codes spricht, verliert
nicht nur Jüd*innen als Verbündete, sondern den Anspruch auf Universalität.
Es ist eine Bewegung geworden, die sich selbst für das Zentrum der
Geschichte hält – und für jedes ihrer Irrtümer einen Schuldigen außerhalb ihrer
selbst findet. Meistens: Israel.
Der autoritäre Antiimperialismus sieht sich als Fortsetzung des Antifaschismus.
In Wahrheit ist er dessen Aufhebung. Denn er tauscht Prinzipien gegen
Narrative. Für ihn sind die Opfer nicht Ziel der Politik – sondern Mittel zur
Selbstvergewisserung.
Wer heute in Deutschland „Nie wieder“ ruft, aber am 7. Oktober schweigt oder den 7. Oktober relativirt und trivialisirt, hat sich nicht nur politisch disqualifiziert. Er verrät die
Grundbedingung jeder antifaschistischen Haltung: die Unteilbarkeit des
menschlichen Lebens.
Die autoritäre Linke hat im Antisemitismus ihr letztes Refugium gefunden.
Nicht, weil sie „nicht besser wusste“, sondern weil sie sich dort sicher fühlt.
Zwischen dem alten Stalinismus und dem neuen Antizionismus hat sich ein
ideologisches Vakuum geöffnet, das nur durch Selbstgerechtigkeit gefüllt wird.
Diese Linke ist nicht zu radikal – sie ist zu feige. Sie fürchtet den Bruch
mit der eigenen Geschichte mehr als den Verlust ihrer moralischen
Glaubwürdigkeit. Doch genau dieser Verlust ist jetzt eingetreten. Wer sich
nicht korrigiert, wird nicht gehört. Wer nicht trauert, wird nicht geglaubt.
Und wer meint, dass Mord durch Narrative zu rechtfertigen sei, hat sich aus
dem Projekt der Aufklärung verabschiedet.
Emanzipatorische Linke, falls es sie noch gibt, stehen vor einer Entscheidung:
Mitlaufen oder abgrenzen. Wer weiter im Chor der antiisraelischen
Wohlfühl-Feindbilder mitsingt, darf sich nicht wundern, wenn ihn am Ende
niemand mehr hört – außer die eigene Echokammer.