TL;DR: Die Linke soll nicht nur mahnen, sondern regieren – gegen Faschismus, Kapitalismus und militärischen Wahn. Dahme & Ritter liefern keine Betroffenheitslyrik, sondern Strategie. Antifaschismus heißt: angreifen, nicht verwalten. Dieser Text meint es ernst.
Wer den Text „Die Linke als
antifaschistische Bündnispartei“ von Katharina Dahme und Sabine Ritter, bekommt
– Überraschung! – keinen weichgespülten Singsang aus der wohltemperierten
Reformwerkstatt, sondern ein Papier, das den Faschismus beim Namen nennt, die
neoliberale Verkommenheit sezziert wie ein pathologischer Bericht über das
politische Berlin, und gleichzeitig ein linkes Projekt skizziert, das nicht bei
der Mahnwache vor dem Bahnhof stehen bleibt.
Hier schreiben keine PR-Maschinen, sondern zwei
Genossinnen, die begriffen haben, dass man dem autoritären Durchmarsch der AfD
nicht mit moralischer Entrüstung oder SPD-kompatibler Phrasendrescherei
begegnet. Die Autoren formulieren, was in der deutschen Linken sonst gern
verdrängt wird: Die Gefahr ist real. Die Gegenstrategie darf nicht nett sein.
Die Stärke des Papiers? Es verzichtet auf den
infantilen Glauben an den antifaschistischen Verfassungsschutz, an die
moralische Überlegenheit des Westens oder an die Rettung durch das nächste
SPD-Regierungsbündnis mit deutschem Panzerstahl im Gepäck. Dahme und Ritter
lassen keinen Zweifel daran, dass man dem Faschismus nicht beikommt, solange
man seine ökonomischen Ursachen nicht bekämpft: Prekarisierung, ökologische
Katastrophe, imperiale Rohstoffpolitik – kurzum: Kapitalismus, dieser alte
Bekannte im neuen Braunhemd.
Ihre Forderung: eine soziale, antifaschistische Regierung. Man möchte
applaudieren – und gleichzeitig fragen: Wer soll das sein? Und wann? Die LINKE
selbst, in ihrer derzeitigen Verfassung irgendwo zwischen Existenzangst und
Identitätskrise, wirkt eher wie eine demnächst in die Geschichtsbücher
eingehende Fußnote. Doch Dahme und Ritter spekulieren nicht, sie planen – mit
Langzeitgeduld und strategischer Härte. Nicht von „Wir müssen reden“, sondern
von „Wir müssen regieren“ ist hier die Rede. Chapeau.
Besonders elegant gelingt der Spagat zwischen
radikaler Analyse und praktischer Utopie: Der Text verbindet die nüchterne
Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse mit dem Versuch, daraus eine
revolutionär-reformerische Praxis zu destillieren, die nicht ins Leere ruft,
sondern nach Bündnissen sucht – und dabei den Klassencharakter der Gesellschaft
nicht vergisst. Keine pseudoklassistische Verklärung, sondern konkret:
Bündnisse mit Gewerkschaften, Migrant*innen, feministischen Bewegungen – mit
jenen also, die am meisten zu verlieren haben, wenn das nächste „deutsche
Projekt“ wieder mit Lagern beginnt.
Natürlich: Der Verweis auf „linkspopuläre
Strategien“ wird manchem dogmatisch Gesinnten das Magenbluten bereiten. Aber
was ist die Alternative? Linker Eskapismus im Theoriekeller? Dahme und Ritter
machen deutlich: Die Zeit der linken Selbstbespiegelung ist vorbei. Wer nicht
vorbereitet ist, wenn die Rechten übernehmen, hat verloren, bevor der erste
Paragraph geändert wurde.
Und schließlich: Die Forderung nach einem Verbot der AfD – endlich wieder eine Debatte
mit Zunder. Keine empörte Distanzierung, sondern ein Aufruf zur Mobilisierung.
Nicht weil man sich auf die Justiz verlässt, sondern weil man
gesellschaftlichen Druck organisieren will. Kultur als Kampffeld.
Öffentlichkeit als Waffe. Politik nicht als Verwaltung des Elends, sondern als
Versuch, es zu beenden.
Ein Text, der denkt, statt zu beten. Der
streiten will, statt zu vermitteln. Der begriffen hat, dass Faschismus nicht
nur eine Gefahr für Minderheiten ist, sondern für jede Hoffnung auf eine Welt
jenseits der kapitalistischen Barbarei. Eine linke Partei, die diesen Text
nicht nur liest, sondern verinnerlicht, hätte zumindest die Chance, wieder
Subjekt der Geschichte zu werden – bevor sie, wie so viele zuvor, in deren
Fußnoten verschwindet.
“Die Revolution ist großartig
– für den, der sie ernst meint.”
Und dieser Text meint es ernst.
Zum Text „Die Linke als antifaschistische Bündnispartei“ von Katharina Dahme und Sabine Ritter