Friedensnobelpreis für Trump? Nein – aber Jäckels Mythos vom Schuldigen Trump ersetzt Analyse durch Legende
TL;DR:
Zu Pauline Jäckels Trump-Kommentar „Warum Trump nicht
einmal Applaus verdient“ in der taz
Pauline Jäckels Kommentar trägt den Titel „Warum Trump nicht einmal Applaus verdient“. Schon der Titel ein Crescendo der Selbstgewissheit, das vor allem eines ausstrahlt: moralische Hygiene. Das Problem beginnt nicht bei der These, sondern bei der Struktur des Denkens, die hinter ihr liegt.
„Niemand außer dem US-Präsidenten hätte diesen Krieg
beenden können, und zwar genau deshalb, weil er derjenige ist, der sein
Fortführen überhaupt möglich gemacht hat.“
Das ist
nicht nur eine steile Dialektik, sondern ein Hütchenspiel. Wer den Krieg
ermöglicht, so Jäckels Logik, hat ihn zu verantworten – wer ihn beendet, erhält
bestenfalls Schweigen, aber keinen Applaus. Die Hamas, die am 7. Oktober 1200
Menschen ermordete – systematisch, in antisemitischer, genozidaler Absicht, wie
Videos, Dokumente und Zeugnisse zeigen –, ist in dieser Rechnung seltsam
abwesend. Oder bestenfalls Staffage für eine viel größere Schuld: die der Supermacht,
des Imperiums, des Westens, des Patriarchats, der Waffenindustrie oder –
wahlweise – „des Systems“.
Dass
„niemand außer dem US-Präsidenten diesen Krieg beenden konnte“, mag stimmen –
wenn man ihn zur einzigen wirkmächtigen Figur im geopolitischen Monopoly
erklärt. Aber warum, so ließe sich fragen, konnte nicht auch die Hamas den
Krieg beenden – etwa durch das Niederlegen der Waffen und die Freilassung der
Geiseln? Eine Frage, die Jäckels Text in seinem Empörungsmodus gar nicht erst
stellt – und damit zur Karikatur seiner selbst wird.
„Trump, der Israels Armee mit Waffen in Milliardenhöhe
beliefert hat, nun einen Friedensnobelpreis zu verleihen, wäre ungefähr so, als
würde man Netanjahu einen Preis zur Welthungerbekämpfung widmen.“
Vergleich
statt Argument: Jäckel versucht sich an einer moralischen Buchführung, in der
politische Macht grundsätzlich verdächtig ist, wenn sie nicht im Sinne der
eigenen Erzählung funktioniert. Die Vorstellung, dass in einem asymmetrischen
Krieg mehrere Akteure Verantwortung tragen könnten – auch durch Unterlassung –,
kommt ihr nicht in den Sinn. Stattdessen: Parabeln.
„Eine Lösung des jahrzehntelangen Konflikts und seiner
Ursachen sieht er aber nicht vor.“
Der Satz
über den Trump-Deal trifft ins Schwarze – aber nicht, weil er so tiefschürfend
ist, sondern weil er so selbstverständlich klingt. Natürlich löst ein
Waffenstillstand keinen jahrzehntelangen Konflikt. Wer das erwartet,
verwechselt diplomatische Realpolitik mit Esoterik. Oder hält den kategorischen
Imperativ für ein außenpolitisches Handbuch.
Was Jäckels
Text durchzieht, ist die suggestive Gleichsetzung von Zerstörung und Zerstörer
– als seien alle Bomben gleich böse, alle Mächte gleich imperial, und jeder
Versuch, Macht pragmatisch einzusetzen, eine moralische Kapitulation. Israel
zerstört Gaza? Richtig. Warum? Antwort: irrelevant. Die Raketen der Hamas?
Nicht hilfreich für die Erzählung.
„Dass die Bundesregierung jetzt dafür gelobt wird,
Geld in den Wiederaufbau zu stecken, ist verquer – sie hat schließlich den Krieg
mitgetragen.“
Was hier
sichtbar wird, ist die strukturelle Unfähigkeit zur Komplexität. Wiederaufbau
ist kein Schuldeingeständnis. Er ist Teil politischer Verantwortung in einer
Region, die eben nicht aus Helden und Dämonen besteht, sondern aus Interessen,
Allianzen, Erpressungen – und manchmal: Zwangslagen.
Dass Donald
Trump den Deal nicht aus humanitärer Überzeugung, sondern aus geopolitischem
Kalkül forciert haben mag – geschenkt. Aber wieso genau sollte das seine
Wirkung entwerten? Wer ernsthaft glaubt, internationale Politik sei ein
Wettbewerb ethischer Reinheitszertifikate, hat entweder nie Hannah Arendt
gelesen – oder sie gründlich missverstanden.
Pauline
Jäckels Kommentar ist keine Analyse, sondern eine moralische Choreografie. Sie
bewegt sich nicht durch die Welt, sondern durch ein Set von Glaubenssätzen. Die
Gewalt der Hamas wird als Kontext erwähnt, nicht als Ursache. Die israelische
Offensive wird als „zerstörerisch“ gebrandmarkt – ohne die Frage, was passiert
wäre, wenn Israel nicht reagiert hätte. Nachdem in den ersten zwei
Monaten nach dem 7. Oktober 50.000 Raketen aus Gaza und vom Süden des Libanon
auf Israel abgefeuert wurden, sodass rund 100.000 Israelis die Flucht ins
Landesinnere antreten mussten – nach dem Massaker vom 7. Oktober, nach
der Geiselnahme.
Wem dieser
Blick zu komplex ist, dem bleibt nur der Trost einfacher Rollenverteilungen:
Täter ist, wer eine Armee hat. Opfer ist, wer weniger Raketen besitzt. Alles
andere stört beim Empören.
Jäckels Text
ist ein moralischer Trichter – oben Weltpolitik, unten Gesinnung. Er kritisiert
mit Recht, dass Frieden nicht mit Friedenspreis verwechselt werden sollte. Doch
er ersetzt die Analyse durch ein Schuldnarrativ, das auf einer
Kriegsunschuldslegende zugunsten der Hamas basiert – und dass keine offenen
Fragen zulässt. So bleibt er, trotz aller Empörung, ein Text des politischen
Stillstands.