Hamas-Verharmlosung mit Bastelstation – Kritik an Jule Meiers Gaza-Event-Text im nd

 TL;DR: „Hamas-Verharmlosung mit Bastelstation“ – Jule Meiers Gaza-Event-Text im nd ersetzt Analyse durch Affirmation. Wer Kritik verwechselt mit Kulisse, spricht nicht im Namen der Opfer, sondern flüstert im Schatten ihrer Instrumentalisierung.


Zu „Neukölln: Gaza-Event trotzt Diffamierung“ von Jule Meier (nd)

Es ist ein Text, der so sehr vermeiden möchte, Partei zu ergreifen, dass er am Ende doch Partei ergreift – und zwar dort, wo sich die Empörung als moralisches Alibi tarnt und der politische Klartext in Bastelstationen verdunstet.

Der Artikel scheut nicht die Parteinahme, sondern ihre Analyse.

Jule Meiers Artikel über das Neuköllner „Gaza-Event“ liest sich wie ein Handbuch zur Entpolitisierung des Politischen. Statt Analyse gibt es Affirmation. Statt ideologischer Schärfe – dekoratives Vokabular der Einfühlung. Ein „Raum für Bildung, Dialog und Menschenrechte“ sei da geschaffen worden, wird zitiert, als ginge es um einen gut gelüfteten Seminarraum an einem Juliabend, nicht um einen symbolpolitischen Akt im Schatten einer militanten Bewegung, die nicht zufällig, sondern systematisch auftaucht – und dies auch in Gestalt des VPNK.

Dass das VPNK laut Verfassungsschutz „eine Dachbezeichnung für Berliner Anhänger der Hamas“ sei, wird zwar erwähnt – im selben Atemzug aber relativiert mit dem Mantra linker DNA: »Natürlich sind Verfassungsschutzberichte politisch gefärbt…«. Das ist ebenso richtig wie folgenlos. Denn die Frage, ob der Verfassungsschutz politisch gefärbt ist, stellt sich weniger dringend als die, ob das VPNK es ist – und wenn ja: wie? Stattdessen: Bastelworkshops, Siebdruck, Musik.

Der moralische Tonfall ersetzt den politischen Standpunkt.

Die Rede des VPNK-Sprechers wird zitiert, als sei es ein Poesiealbum. „Für Brücken des Miteinanders… Es lebe ein freies Palästina.“ Kein Wort zur Frage, was das heißt. Frei wovon? Frei mit wem? Frei wie? Dass die Forderung nach dem „Ende des Genozids in Gaza“ sprachlich exakt dort anschließt, wo die Hamas ihre Legitimation findet, bleibt unkommentiert. Statt Widerspruch – Wiederholung. Statt Kritik – Kulisse.

Wenn eine Veranstaltung stattfindet, auf der eine Organisation auftritt, deren Nähe zur Hamas nicht von Springer, sondern von Antifaschist*innen und ja, auch vom Verfassungsschutz festgestellt wird – dann genügt es nicht, auf „Solidarität“ zu pochen. Es bräuchte die Unterscheidungskraft, die aus linker Kritik mehr macht als ein Soundtrack zur Empörung. Meiers Artikel verwechselt kollektives Gedenken mit politischer Verantwortung. Wer aber im Namen der Opfer spricht, ohne die Täter benennen zu wollen, spricht nicht – er flüstert.


Reden dürfen alle. Verantwortung tragen – niemand. Wer fragt, warum ein solcher Text im „nd“ erscheint, muss nur kurz daran denken, was aus Teilen der DDR-Linken wurde, als sie lernte, sich demokratisch zu geben. Was bleibt, ist ein journalistischer Text, der so tut, als wäre „Solidarität“ eine neutrale Kategorie, als könne man im Namen der Unterdrückten sprechen, ohne zu sagen, wer sie unterdrückt – und vor allem: wer sie dabei instrumentalisiert.

Am Ende ist es nicht die Nähe zur Hamas, die beunruhigt, sondern die Ferne zur Kritik.
Wer Differenzierung ruft, aber nicht liefert, spricht mit gespaltener Zunge – und nennt es Pluralismus


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